Bielefeld (epd). Die unterschiedliche Auswirkung des Coronavirus auf Frauen und Männer wird laut einer Analyse von Medizinern in den meisten laufenden klinischen Studien noch nicht berücksichtigt. Nur vier Prozent von fast 4.500 ausgewerteten internationalen Studien zu Sars-CoV-2 und Covid-19 sehen ausdrücklich vor, Geschlecht und Gender als Aspekte in die Analyse einzubeziehen, wie die Universität Bielefeld am 6. Juli mitteilte. Für die Metaanalyse arbeitete die Bielefelder Wissenschaftlerin Sabine Oertelt-Prigionen von der Uni-Arbeitsgruppe „Geschlechtersensible Medizin“ mit Forscherinnen und Forschern aus den Niederlanden und Dänemark zusammen.
„Von Anfang an konnten wir sehen, dass diese Krankheit bei Frauen und Männern unterschiedlich verläuft“, sagte Oertelt-Prigionen. „Darauf weisen die Zahlen der Einweisungen ins Krankenhaus und der Todesfälle hin.“ So seien Männer häufiger von schweren Krankheitsverläufen betroffen und müssten öfter im Krankenhaus behandelt werden. Woran das liege, sei bisher nicht vollständig erforscht. Doch eine mögliche Konsequenz wäre, dass Frauen und Männer medizinisch unterschiedlich behandelt werden müssten.
Ebenfalls besteht nach Worten der Medizinerin ein Zusammenhang zwischen Gender - also der sozialen Geschlechterrolle - und der Wahrscheinlichkeit, sich mit dem Virus anzustecken. So seien Frauen häufiger als Männer als Pflegekräfte tätig oder arbeiteten häufiger in Berufen mit viel sozialen Kontakten. Dadurch steige ihr Ansteckungsrisiko.
In der ausgewerteten Stichprobe zu Covid-19-Studien seien diese Aspekte aber wenig berücksichtigt worden, hieß es. Dabei handelte es sich den Angaben nach um 1.659 Beobachtungs- und 2.475 Interventionsstudien, die in der US-Datenbank ClinicalTrials.gov eingetragen sind. Dabei zeigte sich, dass bei einem Fünftel der Studien (21,2 Prozent) die Kategorie „Geschlecht/Gender“ allein zur Auswahl der Probandinnen und Probanden angegeben wurde. Studien mit dem Fokus auf Frauen untersuchten meistens, wie Covid-19 den Ausgang von Schwangerschaften beeinflusst.
Nur 178 Studien erwähnten demnach Geschlecht oder Gender als geplante Variable in der Analyse, wie es weiter hieß. Weitere 237 Studien (5,4 Prozent) planten geschlechtsspezifische oder repräsentative Stichproben ein oder hoben die Bedeutung von Geschlecht oder Gender hervor. In 124 Studien (2,8 Prozent) waren die Probanden jeweils ausschließlich Frauen oder Männer.