sozial-Recht

Bundessozialgericht

Klinik muss vor Entlassung über Pflegeleistung informieren




Nach einem Gerichtsurteil sind Kliniken in der Pflicht, vor der Entlassung von Patienten über Pflegeleistungen zu informieren.
epd-bild/Werner Krüper
Kliniken müssen Kranke vor ihrer Entlassung über mögliche Ansprüche auf Pflegeleistungen beraten. Informiert eine Klinik nicht über Pflegegeldleistungen, können Versicherte bei einem verspäteten Antrag rückwirkend Leistungen erhalten, urteilte das Bundessozialgericht.

Kassel (epd). Krankenhäuser müssen bei einer drohenden Pflegebedürftigkeit eines Patienten frühzeitig über einen möglichen Anspruch von Pflegeleistungen aufklären. Zur Beratungspflicht im Rahmen eines Entlassungsmanagements gehört auch der Hinweis auf Pflegegeldansprüche, stellte das Bundessozialgericht (BSG) in einem am 17. Juni verkündeten Urteil klar. Die Kasseler Richter sprachen einem krebskranken Kind rückwirkend Pflegegeld ab Eintritt seiner Pflegebedürftigkeit zu.

Bei dem Kläger wurde im Mai 2013 im Alter von zehn Jahren ein bösartiger Hirntumor festgestellt und operiert. Es folgten Bestrahlungen und Chemotherapie. Zwischen den einzelnen Behandlungsblöcken wurde er Zuhause von seinen Eltern versorgt. Die Krankenkasse bezahlte dem Jungen einen Rollstuhl und gewährte bis September 2014 Leistungen für eine Haushaltshilfe. Erst im November 2014 erfuhren die Eltern im Anschluss an eine Reha-Maßnahme, dass ein Anspruch auf Pflegegeld bestehen könnte, das sie dann auch umgehend beantragten. Pflegebedürftigkeit bestand bereits ab Juli 2013.

Kasse wollte nur ab Zeitpunkt der Antragstellung zahlen

Die Barmer Pflegekasse gewährte zwar Pflegegeld nach der Pflegestufe I, allerdings erst ab dem Monat der Antragstellung. Das sehe das Gesetz so vor, hieß es zur Begründung. Die Eltern des Klägers meinten indes, dass die Pflegekasse rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Pflegebedürftigkeit Pflegeleistungen gewähren muss.

Das BSG urteilte nun, dass Pflegegeld „regelmäßig“ erst ab dem Monat der Antragstellung beansprucht werden kann. Dennoch stehe hier dem Kläger ausnahmsweise ein rückwirkender Anspruch ab Eintritt der Pflegebedürftigkeit zu. Denn das Krankenhaus habe es versäumt, ausreichend über mögliche Leistungen im Pflegefall zu beraten. Das sei gesetzlich aber vorgeschrieben, befand das Gericht.

„Hiernach haben Versicherte Anspruch allgemein auf ein Versorgungsmanagement“, so die Kasseler Richter. Bei der Krankenhausbehandlung im Besonderen umfasse das „ein Entlassungsmanagement zur Lösung von Problemen beim Übergang in die verschiedenen Versorgungsbereiche beziehungsweise nach der Krankenhausbehandlung“.

Gute Versorgung nach schneller Entlassung

Dass überhaupt ab Mitte der 1990er Jahre das Entlassungsmanagement in den Krankenhäusern eingeführt wurde, geht auf Kostenersparnisgründe zurück. Ziel war und ist, die Verweildauer der Patientinnen und Patienten im Krankenhaus möglichst kurz zu halten. Dafür sollten diese aber nach der Entlassung nicht im Regen stehen, sondern von Beginn an gut ambulant versorgt werden.

Es gebe daher einen „Managementauftrag“, mit dem der Gesetzgeber eine gute Versorgung und einen reibungslosen Übergang zwischen verschiedenen Versorgungsbereichen habe sicherstellen wollen - hier von der Klinik in die häusliche Versorgung, urteilte das BSG. Der Gesetzgeber habe gewollt, dass Versicherte „die Versorgung, auf die sie Anspruch haben, auch tatsächlich erreicht und wirksam wird“.

Ärzte und Krankenhäuser seien verpflichtet, „unverzüglich die zuständige Pflegekasse zu benachrichtigen, wenn sich der Eintritt von Pflegebedürftigkeit abzeichnet oder wenn Pflegebedürftigkeit festgestellt wird“. Voraussetzung dafür sei, dass die Versicherten der Benachrichtigung an die Kasse zustimmen.

Kliniken „regelhaft eingebunden“

Der Gesetzgeber habe die Krankenhäuser „in Fällen des Übergangs von der stationären Krankenbehandlung in die pflegerische Versorgung“ regelhaft einbinden wollen. Im jetzt entschiedenen Fall habe das Krankenhaus aber nicht ausreichend über die möglichen Pflegegeldleistungen und den erforderlichen Antrag informiert. Das müsse sich die Pflegekasse „wie eigene Beratungsfehler zurechnen lassen“, urteilte das BSG.

Dem Kläger stehe daher mit Beginn seiner Pflegebedürftigkeit rückwirkend ab Juli 2013 Pflegegeld zu. Ob und welche Folgen eine fehlerhafte oder unzureichende Beratung für das Krankenhaus haben kann, hatte das BSG nicht zu entscheiden.

Az.: B 3 P 5/19 R

Frank Leth