sozial-Branche

Verschuldung

"Ich hebe doch nicht meine Hand, wenn ich es nicht war"




Sandra Strüber, die in die Schuldenfalle ihres Ex-Partners geriet
epd-bild/Carsten Kalaschnikow
Er schloss Verträge und Bestellungen auf ihren Namen ab und plünderte Geld von gemeinsamen Konten: 75.000 Euro Schulden hinterließ ihr Ex-Partner Sandra Strüber, dann tauchte er ab. Sie hat sich davon nicht entmutigen lassen.

Laatzen, Reg. Hannover (epd). Eigentlich wollte Sandra Strüber nur noch ihr Hab und Gut aus der Wohnung ihres Ex-Partners Tobias H. abholen. Doch dann standen ihr sieben Polizisten mit Durchsuchungsbefehl und Schlagstöcken gegenüber. Sie fragten, wer sie sei und wo H. sich befinde. Weshalb sie ihn suchten, sagten die Beamten nicht. Unter seiner Handynummer erreichte Strüber ihn nicht mehr. Doch wenig später konnte sie sich sein Verschwinden erklären: Im Wohnungskeller fand sie säckeweise gelbe Briefe, die an sie adressiert waren. Strübers Ex-Partner hat sie in die Schulden getrieben und ist vor dreieinhalb Jahren mit seiner Tochter geflüchtet.

Die Polizei sucht ihn per internationalem Haftbefehl. Rund 75.000 Euro Schulden verursachte er auf ihren Namen. „Wie ein Häufchen Elend“ habe sie sich am Anfang gefühlt, sagt die selbstständige Veranstalterin heute. Tobias H. hatte nicht nur auf ihren Namen Verträge abgeschlossen und Waren bestellt, sondern auch Geld aus gemeinsamen Einnahmen und vom Konto des gemeinsamen Sohnes entwendet. Obwohl sie längst aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen war, wurde auch der Mietvertrag auf ihren Namen nicht gekündigt.

Kompromisse mit Gläubigern

Tobias H. hatte ihr nur einen neuen gefälschten Vertrag mit seinem Namen zugeschickt. Erst später erfuhr Strüber von H.s Eltern, dass er kaufsüchtig ist. 17 Jahre lang betrog er professionell, mehrere Haftbefehle gegen sich konnte er ihm letzten Moment abwenden.

Mit den zahllosen Forderungen der Gläubiger war Strüber am Anfang überfordert. Langfristige und kostenlose Hilfe erhielt sie erst bei Schuldnerberaterin Sabine Taufmann. Schritt für Schritt klären beide seitdem, welche Forderungen noch offen und welche beglichen sind. Mit Gläubigern versuchen sie Kompromisse zu finden. Strüber hat sich bewusst dagegen entschieden, Privatinsolvenz anzumelden - nicht nur, damit sie weiter als Selbstständige Messen und Veranstaltungen organisieren kann: „Ich hebe doch nicht meine Hand, wenn ich es nicht war.“

Fälle wie Strübers, bei denen Menschen betrügerisch auf den Namen anderer Schulden machen, kommen laut Schuldnerberaterin Taufmann zwar immer wieder vor. Meist verbuchten Menschen aber Schulden auf ihren eigenen Namen. Um Überschuldung vorzubeugen, empfiehlt Taufmann Menschen, ein Haushaltsbuch zu führen - auch viele Banking-Apps verfügten über eine entsprechende Funktion.

Jeder Zehnte betroffen

Laut Deutschem Schuldneratlas waren im vergangenen Jahr rund sieben Millionen Menschen in Deutschland überschuldet - meist wegen Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Trennung. Auch wenn es also fast jeden zehnten Deutschen trifft, tabuisiere die Gesellschaft das Thema, sagt Taufmann. Der Umgang mit Geld werde oft auch nicht richtig erlernt: „Ich würde mir wünschen, dass das ein Schulfach ist.“

Das Team ihrer diakonischen Beratungsstelle aus Laatzen hält bereits Vorträge zur Schuldenprävention in Schulen. Erwachsene würden sich dagegen nicht trauen, solche Vorträge zu besuchen, vermutet sie.

„Man kommt da wieder raus“

Auch Strüber sagt, sie habe sich oft selbst Vorwürfe gemacht. Mehr als die Hälfte ihres Familien- und Freundeskreises habe sich von ihr abgewandt. „Ich glaube aber, es gibt nur zwei Optionen: Man kann stolz aus der Nummer rausgehen oder daran zerbrechen.“ Taufmann wirbt dafür, im Ernstfall eine Schuldnerberatung aufzusuchen. Von bezahlbaren Schulden könne jeder plötzlich in die Überschuldung gelangen. Denn Schulden belasteten nicht nur das Konto, sondern führten häufig auch in eine „große psychosoziale Notlage“. Viele Menschen würden durch Schulden krank.

Doch Strüber macht Mut: „Man kommt da wieder raus.“ Dass sie ihre Schulden nicht aus der Bahn geworfen haben, erklärt sie sich vor allem mit der Verantwortung für ihren Sohn: „Was hat der von einer gebrochenen Mutter?“ Sie wolle ein Vorbild für ihn sein. Ihr Ex-Partner sei ein professioneller Betrüger. „Wenn man sich davon entmutigen lässt, ist man tot.“

Konstantin Klenke