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Alterssicherung

Viel Widerspruch gegen Rente mit 68




Rentenausweis
epd-bild/Heike Lyding
Drei Monate vor der Bundestagswahl macht ein Beraterpapier die Runde, das viel Widerspruch auslöst: Experten für das Bundeswirtschaftsministerium schlugen vor, das Renteneintrittsalter auf 68 Jahre zu erhöhen.

Der Wissenschaftliche Beirat im Ministerium von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sieht in einem am 7. Juni veröffentlichten Gutachten ab 2025 einen „Finanzierungsschock“ auf die staatliche Rentenkasse zukommen. Deshalb plädiert er für ein reguläres Renteneintrittsalter von 68 Jahren. Damit, das war abzusehen, ist das Thema in den Wahlkampf hineingerückt und löste scharfe Reaktionen von SPD, Linkspartei und Grünen aus. Nach geltender Rechtslage wird die Altersgrenze für die Rente ohne Abschläge bis 2029 schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben.

Die Berater betonen, das Renteneintrittsalter könne nicht langfristig von der Entwicklung der Lebenserwartung abgekoppelt werden. „Stattdessen müssen die zusätzlichen Lebensjahre nach einer klaren Regel zwischen mehr arbeiten und länger Rente beziehen aufgeteilt werden.“ Dafür solle es eine „dynamische Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung“ geben. Die Expertinnen und Experten betonen, dass das Verhältnis der in Arbeit und in Rente verbrachten Lebenszeit konstant bleiben soll.

Zielmarke: Rente mit 68 ab 2042

Gemäß den derzeitigen Prognosen der Lebenserwartung würde mit einer solchen Regel das Rentenalter im Jahr 2042 mit 68 Jahren erreicht, sagte der Direktor am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik, Axel Börsch-Supan, bei dem die Federführung des Gutachtens lag. Der Beirat betonte in seiner Mitteilung: „Sollte die Lebenserwartung abnehmen, kann auch das Rentenalter sinken.“ Fakt ist aber auch: Jeder Fünfte stirbt vor dem 69. Lebensjahr.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte, er halte eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters für den falschen Weg. „Auch eine Absenkung des Rentenniveaus wäre nicht richtig, weil sich sonst die Löhne und Gehälter von der Rentenentwicklung abkoppeln würden. Heil: “Je mehr Menschen in den nächsten Jahren in Arbeit sind und je besser die Lohn- und Gehaltsentwicklung ist, desto stabiler ist auch die gesetzliche Rente. Das ist der Weg, auf den ich setze."

Seine Parteifreundin Katja Mast sekundierte: „Die Anhebung des Renteneintrittsalters ist nichts anderes als eine kräftige Rentenkürzung, die wir nicht mitmachen.“ Dass diese sozialen Fragen keine Rolle in der Debatte des Beirats spielten, sei beschämend.

Linke: Rückkehr zur Rente mit 65 ist möglich

„Die Drohszenarien, dass die Rente langfristig nicht finanzierbar sei, sind komplett unseriös“, sagte Matthias W. Birkwald, der rentenpolitische Sprecher der Linksfraktion. Seine Partei lehne deshalb eine Anhebung der Regelaltersgrenze ab. „Die Rückkehr zur Rente ab 65 wäre nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung mit einer moderaten Beitragssatzerhöhung von 0,5 Prozentpunkten finanzierbar“, so Birkwald. Der steuerfinanzierte Bundeszuschuss müsste dazu um gut eine Milliarde Euro steigen.

Johannes Vogel, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, sagte, das Gutachten stelle der Rentenpolitik der großen Koalition ein vernichtendes Urteil aus. „Dringendst notwendige Reformen wurden sehenden Auges nicht angegangen und der demografische Wandel aktiv verschlafen. Stattdessen wurde der Druck auf den Rentenkessel durch weitere Rentenpakete immer weiter erhöht.“

Der Präsident des Sozialverbandes SoVD, Adolf Bauer, sagte, die Anhebung des Renteneintrittsalters bedeute nichts anderes als eine Rentenkürzung. „Ein derartiges Vorhaben ist schlichtweg nicht hinnehmbar.“ Statt eine derart unnütze Debatte zu führen, solle sich die Politik lieber auf das Notwendige zu konzentrieren. „Was wir dringend brauchen, sind Maßnahmen, die es den Menschen erlauben, bis zum derzeitigen regulären Renteneintritt gesund zu arbeiten“, so Bauer. Zu diesen Maßnahmen zählen unter anderem eine qualifizierte Aus- und Weiterbildung, regelmäßige Gesundheits-Check-Ups und gute Arbeitsbedingungen.

Des Weiteren gilt es laut Bauer die gesetzliche Rente zu stärken, indem das Rentenniveau auf mindestens 50, perspektivisch 53 Prozent angehoben wird und die gesetzliche Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung für alle weiterentwickelt wird.

Dirk Baas