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Wissenschaftler fordern Senkung des Kinderfreibetrags




Kinder auf einer Schaukel
epd-bild/Thomas Lohnes
Seit mehr als zwei Jahrzehnten wird der Kinderfreibetrag als sozial ungerecht kritisiert, da er Besserverdiener begünstige. Nun fordern Forscher, ihn drastisch zu senken und außerdem einkommensschwache Familien finanziell mehr zu unterstützen.

Berlin (epd). Die steuerliche Behandlung von Familien mit Kindern durch Kindergeld und Kinderfreibeträge begünstigt nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Haushalte mit hohen Einkommen. Die Forscher fordern deshalb, den Kinderfreibetrag deutlich zu senken. Die dadurch entstehenden Mehreinnahmen des Staates von bis zu 3,5 Milliarden Euro sollten für die Bildungsinfrastruktur und für einkommensschwache Haushalte eingesetzt werden. „Jedes vierte bis fünfte Kind in Deutschland lebt in relativer Armut. Bedürftige Familien mit Kindern sollten höhere Geldleistungen vom Staat bekommen“, sagte DIW-Forscher Stefan Bach dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Armutsquote seit Jahren konstant bei 20 Prozent

Rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland sind nach Schätzungen armutsgefährdet - und damit häufig auch bildungsbenachteiligt. Der Anteil armutsgefährdeter Kinder hält sich laut DIW zwar seit Jahren relativ konstant bei etwas über 20 Prozent. Doch die Tatsache, dass diese Quote trotz der wirtschaftlich starken Jahre vor der Corona-Pandemie gleich geblieben ist und gerade Kinder aus einkommensschwachen Familien in der Pandemie durch die Schulschließungen negativ betroffen waren, mache dieses Thema „politisch brisant“, sagte Bach.

In einigen Wahlprogrammen zur Bundestagswahl 2021 wird gefordert, das Kindergeld zu erhöhen und eine Kindergrundsicherung einzuführen, die das Existenzminimum von Kindern effektiver sichern soll. Die SPD schlägt vor, das Kindergeld von derzeit 219 Euro auf einheitlich 250 Euro im Monat zu erhöhen. Die Grünen wollen das Kindergeld auf einheitlich 290 Euro pro Kind anheben. Die Linke will das Kindergeld auf 328 Euro erhöhen.

Forscher: Kinderfreibetrag von rund 6.000 Euro genügt

Die Forscher des Berliner Instituts favorisieren eine andere Lösung: „Der Kinderfreibetrag könnte von derzeit 8.388 Euro deutlich reduziert werden“, sagte Bach dem epd. Denn beim Kinderfreibetrag entfielen nur 5.460 Euro auf das „sächliche Existenzminimum“ der Kinder, also auf die notwendigen Lebenshaltungskosten für Nahrung, Kleidung, Wohnung, Gesundheit. Zusätzlich würden 2.928 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf eines Kindes berücksichtigt - unabhängig davon, ob die Aufwendungen in dieser Höhe in den Familien auch tatsächlich anfallen. „Bei den meisten Steuerpflichtigen dürften sie in dieser Höhe nicht vorliegen“, sagte Bach.

Diese Summe sei „nicht nachvollziehbar“. Daher sollte eine deutlich niedrigere Pauschale für den Aufwand für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf reichen. Bach hält statt knapp 3.000 Euro lediglich 600 Euro im Jahr für angemessen.

Allerdings sollten tatsächlich entstehende höhere Beträge bei entsprechenden Nachweisen von der Steuer abgezogen werden dürfen, gegebenenfalls bis zu bestimmten Höchstgrenzen für einzelne Ausgabenarten. „Mit dieser Reform könnte der Kinderfreibetrag auf 6.060 Euro sinken“, empfehlen die DIW-Autoren in ihrer Studie.

Die Senkung des Kinderfreibetrags würde für Mehreinnahmen von rund 3,5 Milliarden Euro im Jahr bewirken. Belastet wären nach DIW-Angaben die Familien im oberen Fünftel der Einkommensverteilung, an erster Stelle die oberen zehn Prozent.

„Die zusätzlichen staatlichen Finanzmittel könnten gezielt für das Kindeswohl und die Senkung von Kinderarmut verwendet werden“, schlägt Bach vor. Zum einen könnten dadurch Betreuungs-Infrastruktur und Bildungsangebote für Kinder verbessert werden. Zum anderen könnten die Mittel verwendet werden, um gezielt arme Familien finanziell zu unterstützen und außerdem für alle das Kindergeld zu erhöhen, so das DIW.