sozial-Politik

Armut

Gastbeitrag

Gebührenexzesse beim Basiskonto stoppen




Michael Findeisen (li.), Julian Merzbacher
epd-bild/Finanzwende-Recherche
Hohe Gebühren der Banken führen dazu, dass viele Bürger kein Basiskonto nutzen. Wie und warum das geändert werden muss, erläutern Michael Findeisen und Julian Merzbacher von der Organisation Finanzwende in ihrem Gastbeitrag für epd sozial.

Berlin (epd). Das Basiskonto ist eine Erfolgsgeschichte. Eigentlich. Seit rund fünf Jahren haben viele Menschen mit wenig Geld Zugang zu einem Zahlungskonto. Zuvor konnten diese leicht von den Banken abgewiesen werden. Mitte 2020 vermeldete die Finanzaufsicht BaFin, dass 761.500 Basiskonten seit Einführung eröffnet wurden. Eine beachtliche Zahl - und damit ein Erfolg. Ein Konto ist für viele Alltagsgeschäfte vom Gehaltseingang bis zur Mietüberweisung notwendig. Insofern beugt das Basiskonto auch sozialer Ausgrenzung vor.

Doch der in Deutschland erreichte Erfolg mit der Schaffung eines subjektiven Rechts auf ein Basiskonto ohne Einschränkungen wird aufs Spiel gesetzt, wenn sich wegen Gebührenerhöhungen viele Menschen ein Basiskonto gar nicht mehr leisten könnten. Dieses Problem war schon vor fünf Jahren vorhersehbar, dagegen unternommen wurde indes seither nichts. Dabei gäbe es sogar zwei Instrumente zur Beseitigung des Missstands: eine Überarbeitung der Entgeltregelung im Gesetz und eine aktivere Finanzaufsicht.

Ansatz 1: Eine klarere Formulierung im Gesetz

Im Zahlungskontengesetz fehlt eine klare Definition, wie hoch ein Entgelt für Basiskonten sein darf. Es regelt nur, dass das Entgelt „angemessen“ sein soll. Was das konkret für den Einzelfall bedeutet, bleibt im Dunkeln. So kommt es, dass einzelne Banken über 200 Euro für die normale Nutzung eines Basiskontos verlangen, wie die Stiftung Warentest im November 2020 ermittelte. Immer weniger Banken bieten das Basiskonto für weniger als 100 Euro im Jahr an. So zahlt, wer arm ist und kein regelmäßiges Einkommen hat, für ein Girokonto oft mehr als Gehalts- und Rentenempfänger.

Aktuell können Menschen mit viel Glück noch auf Banken mit geringeren Entgelten ausweichen, doch angesichts der branchenweit zu beobachten Trends hin zu höheren Kontogebühren auch für gewöhnliche Girokonten, steht diese Option in der Zukunft in Frage. Innerhalb der letzten fünf Jahre sind die Entgelte für Girokonten durchschnittlich um 40 Prozent gestiegen, wodurch die Gebühren für Basiskonten mit in die Höhe gezogen werden. Das Drehen an der Gebührenschraube wird weitergehen. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gebühren von den Banken noch häufiger als schon bislang als Abwehrmechanismus gegen das Basiskonto eingesetzt werden und sich dadurch der alte Rechtszustand vor Inkrafttreten des Gesetzes durch die Hintertür durchsetzen lässt.

Aus diesem Grund müsste vom Deutschen Bundestag endlich der Begriff der Angemessenheit im Gesetz klar definiert werden. Dazu müsste man sich jedoch von der Quadratur des Kreises verabschieden, die bisher mit der Entgeltregelung verfolgt wurde. Es kann nur schieflaufen, wenn man bei einem solchen Thema dem sozialpolitischen Ziel gerecht werden und zugleich den Interessen der Kreditwirtschaft entsprechen will. Den Banken einen angemessenen Gewinn bei Basiskonten zuzubilligen und den sozialen Aspekten genügen zu wollen, ist unter den aktuellen Marktbedingungen ein Ding der Unmöglichkeit.

Dass es durchaus anders geht, zeigen andere EU-Länder. Während es in Deutschland keine Höchstgrenze für die Gebühren gibt, sind andere Staaten einen verbraucherfreundlicheren und praktikableren Weg bei der Umsetzung der Zahlungskontenrichtlinie gegangen. Frankreich und das frühere EU-Mitglied Großbritannien bieten Basiskonten entgeltfrei an. In Österreich sind die Entgelte auf niedrigem Niveau gedeckelt.

Eine aktivere Finanzaufsicht ist nötig

Doch nicht nur durch eine Neufassung der Gebührenregelung könnte man den Problemen beim Basiskonto entgegenwirken, sondern auch durch eine aktivere Finanzaufsicht durch die BaFin. Die BaFin müsste aktiv werden, da auf dem Rechtsweg keine schnelle und umfassende Klärung erreicht werden kann. In der Vergangenheit gab es zwar Urteile zu Gebührenregelungen für das Basiskonto, die gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstoßen haben. Im Jahr 2020 sogar vom Bundesgerichtshof gegen die Deutsche Bank. Aber solche Urteile können den verbreiteten Missstand überhöhter Gebühren nicht flächendeckend beenden, weil sie nur im Einzelfall Bindungswirkung haben. An dieser Stelle muss die Finanzaufsicht tätig werden und ihrem Verbraucherschutzmandat gerecht werden.

Die Behörde besitzt die nötigen Instrumente, gegen eine nicht gesetzeskonforme Praxis beim Entgelt vorzugehen. Mit verschiedenen Maßnahmen aus der sogenannten Missstandsaufsicht beziehungsweise dem kollektiven Verbraucherschutz kann die BaFin gegensteuern - wenn sie wollte.

Missstände müssen behoben werden

Sollten Entgelte aus Sicht der BaFin unangemessen sein, kann die Finanzaufsicht Institute über den Einzelfall hinaus anweisen, diese anzupassen. In einem Artikel vom 15. Dezember 2017 hatte die BaFin selbst verdeutlicht, dass der Zugang zu einem Zahlungskonto für alle Berechtigten nur dann gewährleistet ist, wenn die Höhe der Entgelte den sozialpolitischen Zweck der Basiskonten nicht zunichtemacht. Damals zeigte sich die BaFin noch bereit, im Zweifel einzugreifen.

Doch von dieser Haltung hat sich die Behörde mittlerweile leider verabschiedet. Dabei wäre sie heute angesichts der weiter steigenden Kontogebühren notwendiger denn je. Die Finanzaufsicht hat die Hürden für ihr Eingreifen mittlerweile durch eine fragwürdige Rechtsauffassung unnötigerweise hochgeschraubt. Sie spricht davon, dass es erst „ultima ratio“ wäre, Anordnungen an Institute zu senden, um Verstöße wie zu hohe Gebühren für das Basiskonto zu ahnden. Das ist falsch. Bei einem solchen Missstand kann und müsste die BaFin früher stärker agieren - und zwar unabhängig von den Zivilgerichten und institutsübergreifend. Es reicht nicht, als Behörde Missstände zu erkennen, sondern die Missstände müssen auch behoben werden - gerade wenn es um den Zugang zu einem Konto geht.

So ist die eigentliche Erfolgsbilanz des Basiskontos eingetrübt. Rund fünf Jahre nach dem Start des Basiskontos müssen Politik oder die Finanzaufsicht endlich aktiv werden. Sonst droht der Glanz der damaligen Neuregelung endgültig zu verblassen.

Michael Findeisen war viele Jahre Referatsleiter im Bereich Geldwäsche und Zahlungsverkehr im Bundesfinanzministerium und ist heute ehrenamtlicher Fellow beim Verein Finanzwende. Julian Merzbache ist bei Finanzwende für Verbraucherschutzthemen zuständig.


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