

Hannover (epd). Angesichts fortschreitender Lockerungen der Corona-Maßnahmen hat der Armutsexperte Klaus-Dieter Gleitze davor gewarnt, dass Menschen mit geringem Einkommen weiter ins Abseits geraten könnten. „Gesunde Menschen mit gut bezahlter Arbeit, mit Rücklagen für Notzeiten und ohne Zukunftssorgen können aufatmen und die neuen Freiheiten genießen“, sagte der Geschäftsführer der niedersächsischen Landesarmutskonferenz dem Evangelischen Pressedienst (epd). Menschen die von Arbeitslosigkeit, Armut, überdurchschnittlichen Gesundheitsrisiken und Perspektivlosigkeit bedroht seien, könnten das hingegen nicht. „Ihnen ist das Konsum-Glück im Paradies von Shopping, Restaurantbesuchen und Reisen schon vor der Krise verwehrt gewesen. Das wird es nach der Krise erst recht“, betonte Gleitze.
Die Debatte um Freiheiten für Geimpfte und Genesene sowie mögliche Benachteiligungen gegenüber Ungeimpften bezeichnete Gleitze als „Scheinkonflikt“. „Die reale, gefährliche Spaltung unserer Gesellschaft ist die zwischen Arm und Reich. Sie ist nachhaltig, wird zunehmen und birgt sozialen Sprengstoff“, warnte der Armutsexperte.
Menschen in Armut bräuchten nun die Perspektive, dass sie nicht zu den Hauptleidtragenden der Krise und ihrer Folgen würden. Die „Diskussion, wer die Zeche zahlt“, laufe bereits und werde spätestens nach der Bundestagswahl ganz in den Vordergrund rücken. „Dieses Mal müssen die Profiteure der Krise, Menschen mit großem Vermögen und hohen Einkommen, einen gerechten Beitrag zur Beseitigung der Krisenfolgen und der Stabilisierung unseres Gemeinwesens leisten“, forderte Gleitze.
Arme Menschen hätten als erste ihre ohnehin prekären und schlecht bezahlten Jobs verloren. Um zusätzliche Kosten für Hygienemaßnahmen sowie steigende Preise für Energie, Lebensmittel und Wohnen bewältigen zu können, seien ein einmaliger „Krisen-Konsum-Zuschlag“ in Höhe von 1.000 Euro für Arme und die Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes auf monatlich 600 Euro nötig. „Das würde Armen die Hoffnung geben, dass Staat und Gesellschaft sich, ähnlich wie bei TUI, Lufthansa und anderen Konzernen, auch um sie kümmern“, unterstrich Gleitze.