Viel Zuspruch für Buhrows Vorstoß zu ARD-ZDF-Reform
Frankfurt a.M. (epd). Der Vorstoß des WDR-Intendanten Tom Buhrow für grundlegende Reformen der öffentlich-rechtlichen Sender hat in der Politik ein überwiegend positives Echo gefunden. Die Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt und Thüringen, Reiner Haseloff (CDU) und Bodo Ramelow (Linke), signalisierten noch am Donnerstag Zuspruch. Zugleich forderten sie eine breite Debatte über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit Beteiligung der Bürger. Die Koordinatorin der Rundfunkkommission der Länder, Heike Raab (SPD), bekräftigte ebenfalls die Bereitschaft zu umfassenden Reformen. Grundsätzliche Zustimmung zu Buhrows Initiative kam auch von Berliner Medienpolitikern.
„Die Impulse von Tom Buhrow sind bemerkenswert“, sagte Haseloff dem Hamburger Nachrichtenmagazin „Spiegel“. Dabei spiele es keine Rolle, in welcher Eigenschaft er in Hamburg gesprochen habe. Offenkundig habe Buhrow verstanden, dass es einen Befreiungsschlag brauche, um das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wieder aufzubauen und dessen Zukunftsfähigkeit zu sichern. Sachsen-Anhalt werde sich in eine offene und tabufreie Debatte einbringen. Allerdings brauche es auch eine „aktive Beteiligung der Gebührenzahler in diese Zukunftsdebatte“.
Thüringens Regierungschef Ramelow sagte dem „Spiegel“: „Das öffentlich-rechtliche Medienangebot zu stabilisieren, heißt, es in sich veränderten Zeiten auch neu zu denken.“ Öffentlich-rechtliche Inhalte seien auch in Zukunft von grundlegender Bedeutung. Der Ministerpräsident bekräftigte den Vorschlag eines Runden Tisches. Die Länder seien zwar für die Ausgestaltung der öffentlich-rechtlichen Angebote zuständig, Ministerpräsidenten und Intendanten dürfen jedoch nicht die alleinigen Akteure sein. Input von außen könne helfen, die „große Gestaltungsaufgabe hin zu einer zukunftsgerechten öffentlich-rechtlichen Medien- und Kommunikationsplattform umzusetzen“. Dafür werde die Kompetenz von Expertinnen und Experten ebenso gebraucht wie die die Beteiligung von Bürgern.
Buhrow hatte angesichts der anhaltenden Vertrauenskrise in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Donnerstag) eine grundlegende Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gefordert. Deutschland werde in 20 Jahren nicht mehr alle öffentlich-rechtlichen Sender finanzieren wollen. „Wenn wir jetzt nicht verantwortungsvoll und ehrlich einen Neuanfang machen, wird es schlimmstenfalls keinen Neuanfang geben“, warnte er und sprach sich für einen Runden Tisch aus, der einen „neuen Gesellschaftsvertrag“ ausarbeiten solle. Dabei dürfe es keine Tabus und Denkverbote geben. Der WDR-Intendant hatte dabei betont, er spreche nicht in seiner derzeitigen Funktion als ARD-Vorsitzender, sondern als Privatperson.
Die Koordinatorin der Rundfunkkommission, Raab, sieht jetzt die Intendantinnen und Intendanten am Zug. Diese hätten noch für dieses Jahr Beschlüsse und Reformvorschläge in Aussicht gestellt, sagte die rheinland-pfälzische Staatssekretärin dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Wir werden den ARD-Vorsitzenden an seinen jüngsten Aussagen messen und dann Anfang des kommenden Jahres über die weiteren Reformschritte beraten.“ Über einen Expertenrat habe man schon oft gesprochen. „Wir ziehen Experten einerseits auch regelmäßig hinzu, andererseits muss man auch klar definieren, wenn Rat eingeholt wird, wie man ihn umzusetzen gedenkt“, so Raab.
Der „Süddeutschen Zeitung“ sagte Raab, Buhrow habe bei seiner Rede im Hamburger Übersee-Club, auf der der Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ basiert, keine Revolution ausgerufen, sondern Punkte benannt, die im Kreis der Länder schon lange diskutiert würden. Der Druck zu Reformen sei noch nie so hoch gewesen. Die Sender müssten ihr Geld ins Programm stecken und nicht in Verwaltung oder Strukturen. „Die ARD hat über 40 Gemeinschaftseinrichtungen, und Herr Buhrow redet nur über 64 Hörfunkprogramme“, kritisierte Raab. Man habe es ja bereits geschafft, die Kulturwellen in der Nacht zusammenzuschalten. „Warum geht das nur im Bereich der Kulturwellen und nicht im Bereich der Pop-Wellen?“, fragte die Staatssekretärin.
Der für Medien zuständige Staatsminister und Minister für Kultur, Rainer Robra (CDU), aus Sachsen-Anhalt nannte den Vorschlags Buhrows „außerordentlich interessant“ - besonders in der Analyse, „dass wir von allem zu viel parallel haben“. „Ich bin ganz bei Buhrow“, so Robra im MDR. Verdienstvoll sei, dass Buhrow ein „lianenhaftes Interessengeflecht“ darstelle, in dem sich Reformen nur eingeschränkt und sehr schwer durchsetzen ließen. Alle Länder müssten im Konsens entscheiden und hätten ihre eigenen Standortinteressen. „Das ist Blei auf unseren Schultern“, so der Staatsminister. Insofern sei der Anstoß richtig, „ein eher informelles, aber gleichwohl gesellschaftlich legitimiertes Gremium zu konstituieren, das neben den Landtagen auch Akteure aus Wissenschaft, Gesellschaft und Beitragszahlern beinhaltet“. Allerdings dürften sich die Länder trotz eines solchen Forums ihre Hoheit für den regionalen Rundfunk aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entziehen lassen.
Von Berliner Medienpolitikern kam parteiübergreifend viel Zustimmung im Grundsätzlichen. Die Grünen-Medienpolitikerin Tabea Rößner nannte Buhrows Vorschläge „beachtenswert und mutig“. Er zeige Dilemmata der Medienpolitik auf, die sie selbst seit langem moniere: „Standortinteressen der Länderchefs und Besitzstandswahrung der Sendeanstalten“ führten zum Stillstand in der Medienpolitik und verhinderten eine grundlegende notwendige Reform, sagte sie dem epd. Ein Runder Tisch, wie Buhrow ihn fordere, sei begrüßenswert, es kommt allerdings darauf an, wie dieser zusammengesetzt wäre.
Die Frage sei jetzt, welcher öffentlich-rechtlichen Medien es angesichts eines veränderten Informations- und Kommunikationsverhaltens bedarf, das vorwiegend im Digitalen stattfinde und von großen Internetkonzernen bestimmt werde . Um die Nutzer zu erreichen, müssten öffentlich-rechtliche Angebote der Netzlogik folgen. Eine Antwort könnte eine gemeinsame Plattform von ARD und ZDF sein, „vielleicht sogar mit anderen Bildungsinstitutionen“, auf der öffentlich-rechtliche Angebote mit hohen journalistischen Standards Verlässlichkeit und Orientierung bieten und Desinformation entgegenwirken.
Die medienpolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Christiane Schenderlein (CDU), sagte dem epd, es sei gut, dass Buhrow einen Vorschlag gemacht habe. Es sei aber weiterhin Aufgabe der Bundesländer, gemeinsam über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu beraten und zu beschließen. Eine breite Debatte und Kanalisierung der Anregungen sei richtig. Runde Tische könnten hierzu hilfreich sein, allerdings sollten „Redundanzen vermieden“ werden.
Der medienpolitische Sprecher der FDP-Fraktion Thomas Hacker nannte den Anstoß des WDR-Intendanten „absolut richtig und überfällig“. Die Länder seien klug beraten, sich in der Debatte zum Wohle der Öffentlich-Rechtlichen konstruktiv zu positionieren und endlich die Reformen anzugehen, die seit Jahren notwendig gewesen wären. Inwieweit eine Fusion von ARD und ZDF sinnvoll sei, müsse dann im Detail geprüft werden.
kfr/rks
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