Kiel (epd). Der Wirtschaftsprofessor Tobias Heidland erwartet eine Zunahme der globalen Ungleichheit infolge des Klimawandels. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Unterschiede zwischen Arm und Reich aufgrund der Erderwärmung zunehmen“, sagte der Experte vom Kieler Institut für Weltwirtschaft dem Evangelischen Pressedienst (epd). Viele Menschen im globalen Süden seien stark von der Landwirtschaft abhängig, die vom Klimawandel bedroht sei: „Für sie wird es immer schwieriger, ein stabiles Einkommen zu erzielen. Das Risiko, dass sie vom Rest der Welt abgehängt werden, ist hoch.“
Bereits die Corona-Pandemie habe die Schere zwischen Arm und Reich vergrößert, erklärte Heidland, der am Institut das Forschungszentrum „Internationale Entwicklung“ leitet und an der Universität Kiel lehrt. Das habe zuletzt die am Montag veröffentlichte Studie der Entwicklungsorganisation Oxfam gezeigt, wonach erstmals seit 25 Jahren extremer Reichtum und extreme Armut gleichzeitig zugenommen haben. Das decke sich mit den Ergebnissen anderer Studien.
Wirtschaftlich von Krise profitiert
In den Entwicklungs- und Schwellenländern habe es während der Pandemie kaum Maßnahmen zur Abfederung sozialer Härten wie zum Beispiel das Kurzarbeitergeld in Deutschland gegeben, erläuterte Heidland. „Insbesondere prekär Beschäftigte haben in den Lockdowns häufig von einem auf den anderen Moment ihr Einkommen verloren. Sie mussten Erspartes verbrauchen und zum Beispiel wichtige Besitztümer wie Autos verkaufen, um über die Runden zu kommen.“
Auf der anderen Seite hätten Reiche, die ihr Geld etwa in Aktien anlegen, aus der Pandemie sogar wirtschaftliche Vorteile ziehen können. „Da die Märkte sich schnell erholt haben, konnten sie von anfänglichen Kursverlusten profitieren.“ Zudem hätten zuletzt Energieunternehmen aufgrund stark steigender Energiepreise sehr hohe Gewinne erzielen können, was deren Aktionäre noch wohlhabender gemacht habe.
Der Kieler Professor für Volkswirtschaft geht zwar davon aus, dass das Vermögenswachstum bei den Superreichen sich in den kommenden Jahren etwas verringern wird. „Aber das bedeutet nicht, dass die Ungleichheit abnimmt“, betonte er. Denn am unteren Ende der Skala nehme seit Beginn der Pandemie die soziale Not nach Jahrzehnten großer Erfolge bei der Armutsbekämpfung wieder zu.
Nach den Worten Heidlands ist in den vergangenen 200 Jahren die Ungleichheit zwischen Ländern im Zuge der Globalisierung meist gestiegen, während sie innerhalb der Staaten recht stabil war. In den vergangenen 20 Jahren indes habe sich der Unterschied zwischen Arm und Reich auch innerhalb der Staaten vergrößert. Das hänge mit den großen Einkommensgewinnen der Reichsten bei gleichzeitig relativ geringem inflationsbereinigtem Einkommenswachstum der unteren Mittelschicht und Ärmeren zusammen.