Berlin (epd). Er machte sich einen Namen als Brückenbauer und Vermittler: Martin Kruse wurde 1976 zum West-Berliner Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg gewählt. Sein Amt übte er 17 Jahre lang aus, von 1985 bis 1991 war er auch Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Am 29. April starb der evangelische Theologe im Alter von 93 Jahren.

Die evangelische Kirche lebe „von der Einmischung und der Kraft von Gruppen und Einzelnen, die ungeniert Fragen stellen und das Evangelium leben“, sagte Kruse einmal. Und seine Aufgabe als Bischof habe er darin gesehen, in Konflikten „zwischen den Fronten zu vermitteln“.

Der promovierte Theologe wurde am 21. April 1929 im niedersächsischen Lauenberg geboren und wuchs im Emsland auf. Nach Theologiestudium und Vikariat war er von 1955 bis 1970 im niedersächsischen Loccum zunächst als Studienleiter für Jugendsozialarbeit an der Evangelischen Akademie, dann als Stiftsprediger und später als Direktor des Predigerseminars tätig. 1970 ging er als Landessuperintendent der hannoverschen Landeskirche nach Stade.

Berliner Kirche 1977 „heillos zerstritten“

Die Anfrage, in West-Berlin als Nachfolger von Bischof Scharf zu kandidieren, erreichte den Theologen im Urlaub in Österreich. „Da war die Urlaubsstimmung verflogen“, erinnerte sich Martin Kruse: „Meine Frau beschwor mich, dies der Familie nicht anzutun.“ Doch es kam anders. Seine Bedenken, ohne Großstadterfahrung nach Berlin zu gehen, habe der Theologe und frühere Regierende Bürgermeister Heinrich Albertz knapp mit dem Satz pariert: „Die Großstadterfahrung kommt von selbst, dafür werden die Berlinerinnen und Berliner schon sorgen.“

Am Himmelfahrtstag 1976 wurde Martin Kruse zum Bischof gewählt. 1977 übernahm er das Amt in einer Kirche, die der Journalist und spätere Präsident der Berliner Evangelischen Akademie, Robert Leicht, als „nahezu heillos zerstritten“ beschrieb, mit kirchlichen Gruppierungen, die „manchmal in einer Weise miteinander umgehen, dass sich Daniel in der Löwengrube vergleichsweise komfortabel fühlen musste“. Die politischen Auseinandersetzungen der Zeit hatten auch in der Kirche zu heftigen Konflikten geführt.

Kruses Amt als Bischof war geprägt von der Teilung der Stadt, aber auch von diesen politischen und innerkirchlichen Konflikten und Konfrontationen. „Auf Konsens eingestellt, aber dem Konflikt nicht ausweichend“, so hat ihn sein Nachfolger Wolfgang Huber beschrieben. Glaubwürdigkeit habe er auch zur Zeit der West-Berliner Hausbesetzungen und Straßenkämpfe nach beiden Seiten vermittelt, zu den Hausbesetzern wie zu den politisch Verantwortlichen.

Grundlegende EKD-Texte in seiner Amtszeit

In die DDR hat er intensive Kontakte gepflegt. Die regelmäßigen „Wanderungen in der Mark Brandenburg“ mit dem Bischof der Ost-Region, Albrecht Schönherr, seien für ihn wichtige Entdeckungsreisen gewesen, schreibt er in seinen Erinnerungen. Und beim Warten in den Schlangen am Grenzübergang am Berliner Bahnhof Friedrichstraße habe er mitunter den Eindruck gehabt, „die evangelische Kirche sei ein großes Reiseunternehmen“.

Martin Kruse, Vater von vier Kindern, übernahm zusätzlich auch bundesweite und internationale Aufgaben. Von 1979 bis 1991 gehörte er dem Rat der EKD an, ab 1985 war er für sechs Jahre Ratsvorsitzender. Unter seiner Leitung wurden mit der Demokratie-Denkschrift 1985 und der Wirtschafts-Denkschrift 1991 zwei grundlegende Texte der EKD verabschiedet. Als Mitglied des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen setzte er sich nachdrücklich für die Ökumene ein.

Im ARD-Fernsehen sprach Martin Kruse 1989 das erste „Wort zum Sonntag“ nach der Öffnung der Berliner Mauer. Ein großes Aufatmen gehe durch Land und Stadt, sagte er. In seine Bischofszeit fällt auch die nicht einfache Vereinigung des Ost- und des Westteils der Kirche in Berlin-Brandenburg. Von 1991 bis zum Ruhestand 1994 war er dann Bischof der wieder vereinten Landeskirche.