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Pflege

Kritik an zögerlichen Reformschritten




Senioren im Garten eines Pflegeheims
epd-bild/Heike Lyding
Vor lauter Corona-Aktivitäten ist die von Minister Spahn angekündigte Pflegereform aus dem Blick geraten. Doch die Zeit bis zum Ende der Legislatur drängt. Die Verbände machen Druck, und auch bei den Ländern ist das Thema angekommen.

Mecklenburg-Vorpommern fordert mehr Mitwirkung der Bundesländer bei der Weiterentwicklung der gesetzlichen Pflegeversicherung. Dazu hat das Land am 26. März einen Entschließungsantrag im Bundesrat vorgestellt. Der wurde zur weiteren Beratung in den Gesundheitsausschuss überwiesen. Auch mehrere Sozialverbände meldeten sich zu Wort und sprachen sich für Korrekturen an den Reformplänen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) aus. Dass es vor der Bundestagswahl am 26. September zu einer gesetzlichen Regelung kommt, gilt als eher unwahrscheinlich.

So fordert etwa auch die Diakonie Spahn auf, endlich seine Vorstellungen für eine Pflegereform vorzustellen. "Das Zeitfenster schließt sich", sagte Vorstand Maria Loheide am 26. März in Berlin. Eines der wichtigsten Vorhaben der Legislaturperiode drohe zu scheitern. Zum Zeitplan könne er keine Auskunft geben, sagte ein Sprecher von Spahn am 26. März. Bis zur letzten Sitzung von Bundestag und Bundesrat in dieser Wahlperiode sind es nur noch drei Monate.

"Der Regierung läuft die Zeit davon"

"Was bisher aus dem Ministerium an die Öffentlichkeit gedrungen ist, hat den Namen Pflegereform nicht verdient", sagte Loheide. Wenn Minister Spahn jetzt nicht schnell nachlege, laufe der Regierung die Zeit davon.

Die Antragsteller aus Mecklenburg-Vorpommern verweisen auf Pläne des Bundesgesundheitsministeriums, die im Herbst 2020 vorgestellt und inzwischen weiterentwickelt wurden. Vorgesehen ist hierbei insbesondere, die stationäre Pflege zu verbessern und die finanzielle Belastung der Betroffenen zu senken.

Mecklenburg-Vorpommern begrüßte dies, kritisierte aber zugleich die für den Reformprozess vorgeschlagene Verfahrensweise. Die Weiterentwicklung einer bedarfsgerechten Pflegeversicherung, und mit ihr verbunden die Reform ihrer Finanzierung, zähle zu den dringendsten sozialpolitischen Aufgaben. Angesichts rasant steigender Kosten in der Pflege dulde diese notwendige und eng durch die Länder zu begleitende Reform keinen weiteren zeitlichen Aufschub.

Die pauschalierten und gedeckelten Leistungen der Pflegeversicherung seien für die überwiegende Anzahl der pflegebedürftigen Menschen zur Deckung der unmittelbar mit der Pflege verbundenen Kosten nicht auskömmlich. Das führe dazu, dass Pflegebedürftige finanziell stark belastet und nicht selten überlastet würden.

Appell für eine Gesamtlösung

Daher sei eine Gesamtlösung zu entwickeln, die den Voraussetzungen in den einzelnen Ländern gerecht wird und eine deutlich spürbare finanzielle Entlastung für alle pflegebedürftige Menschen unabhängig von ihrem Wohnort etabliere. Deshalb will das Land erreichen, dass der Bundesrat die Bundesregierung auffordert, die Länder intensiv in die Erarbeitung der Weiterentwicklung der Pflegeversicherung einzubeziehen und dafür ein ständiges gemeinsames Arbeitsgremium zu bilden.

Ab 19. April werde der federführende Gesundheitsausschuss über die Landesinitiative beraten, hieß es. Sobald das abschließend geschehen sei, komme der Entschließungsantrag zur Abstimmung wieder auf die Plenartagesordnung.

Diakonie: Reform stabil finanzieren

Die Diakonie verwies darauf, dass die Reform stabil finanziert werden müsse. "Kostensteigerungen dürfen nicht zulasten der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen gehen", sagte Loheide. "Die Pflege ist am Limit. Wir brauchen starke Signale, um den Pflegeberuf attraktiv zu machen." Dazu gehöre auch eine branchenweite bessere Bezahlung. "Wir bedauern, dass keine tarifliche Regelung zustande gekommen ist", sagte Loheide. "Eine Lösung für bessere Gehälter in der Pflege muss in die Pflegereform eingebettet sein."

"Der Entwurf zur Reform der Pflegeversicherung, den Jens Spahn vorgelegt hat, bleibt hinter den Erwartungen der Branche und noch schlimmer, auch hinter seinen Möglichkeiten zurück", sagte Bernhard Schneider, Hauptvorstand der Evangelischen Heimstiftung in Stuttgart. Er sprach von einer "Pflegebaustelle, die sich nahtlos in die Reihe halbherziger Pflegestärkungs- und -verbesserungsgesetze einreiht".

Schneider sagte weiter, leider hätten sich die Befürworter eines "relativen Deckels" durchgesetzt, der Heimbewohnerinnen und -bewohner erst nach zwölf Monaten mit einem 25-prozentigen Leistungszuschlag entlastet. Im dritten Jahr sollen es 50 Prozent und im vierten Jahr 75 Prozent sein. "Dieser Vorschlag ist nicht nur hochbürokratisch und unsinnig, sondern auch ungerecht und weitgehend wirkungslos."

Denn laut dem Geschäftsführer sind durchschnittlich etwa 40 Prozent aller Bewohnerinnen und Bewohner nicht länger als zwölf Monate im Pflegeheim. Ihnen brächte die Reform gar nichts. "Sie bezahlen weiterhin Eigenanteile von teilweise über 1.500 Euro monatlich allein für die Pflege mit stark steigender Tendenz", so Schneider, der auch Sprecher der Initiative Pro-Pflegereform ist.

Dirk Baas


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