sozial-Recht

Landessozialgericht

Dauernde Durchfälle begründen Erwerbsminderungsrente



Die Benutzung öffentlicher Nahverkehrsmittel ist bei einer chronischen Darmerkrankung mit häufigen unkontrollierbaren Durchfällen nicht zumutbar und kann eine Erwerbsminderung begründen. Ist der stetige Aufenthalt in der Nähe einer Toilette erforderlich, darf die Rentenversicherung nicht Erwerbsfähigkeit unterstellen und Versicherte für ihren Arbeitsweg auf Bus und Bahn verweisen, entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in einem am 26. Februar bekanntgegebenen Urteil. Die Stuttgarter Richter sprachen damit einer heute 51-jährigen Frau eine befristete Erwerbsminderungsrente zu.

Die Klägerin hatte von 2010 bis 2014 in der Altenpflege gearbeitet. Bis Ende 2016 bezog sie Arbeitslosengeld und Krankengeld. Seit Oktober 2016 leidet sie an der chronischen Darmerkrankung Morbus Crohn mit mindestens zehn Durchfällen pro Tag sowie plötzlicher und einer Funktionsstörung der Blase.

Rententräger lehnte Antrag ab

Im Juni 2017 beantragte sie bei der Rentenversicherung eine Erwerbsminderungsrente. Sie müsse sich immer vergewissern, dass sie beim Verlassen des Hauses unterwegs eine Toilette aufsuchen könne. Selbst im Supermarkt habe sie zum Beispiel die Erlaubnis, auf die Personaltoilette zu gehen. Auf einen Arbeitsweg könne sie sich wegen ihrer Darmerkrankung nicht begeben.

Doch einen Grund für eine Erwerbsminderung sah der Rentenversicherungsträger nicht. Um zur Arbeit gelangen zu können, könne sie zumindest bei kürzeren Arbeitswegen auch öffentliche Verkehrsmittel ohne Toiletten nutzen.

Hinweis auf fehlende Toiletten in Bussen und U-Bahnen

Doch das ist der Klägerin wegen ihrer häufigen und plötzlichen Durchfälle nicht zuzumuten, urteilte das LSG und sprach ihr eine befristete Erwerbsminderungsrente zu. Denn in Bussen oder U-Bahnen gebe es gar keine, in Regionalzügen nur wenige Toiletten, hieß es zur Begründung.

Anders als bei einer Harninkontinenz könne die Frau auch nicht auf Einlagen verwiesen werden. Das gelte umso mehr, als sie sich nicht etwa auf dem Weg nach Hause mit der Möglichkeit anschließender Hygienemaßnahmen, sondern auf dem Weg zur Arbeitsstätte befinde. Allerdings sei die Erwerbsminderungsrente zu befristen, weil es sein könne, dass die begonnene Therapie zu einer Besserung ihres Gesundheitszustandes führe.

Az.: L 7 R 3817/19