Berlin (epd). Helga gefällt es. "Schön hier", sagt die kleine Frau mit dem Rollator und lässt den Blick durch die sauberen, freundlichen Räume schweifen. Helga ist häufig in den Straßen um den Berliner Bahnhof Zoo anzutreffen. Hier holt sie sich in der Bahnhofsmission ihr Essen ab oder kleidet sich in der Kleiderkammer ein. Früher lebte Helga auf der Straße, "acht Jahre unter der Brücke, eine schreckliche Zeit". Mit Unterstützung von Helfern gelang ihr der Ausstieg aus der Obdachlosigkeit. Jetzt hat sie ein festes Dach über dem Kopf, aber bitterarm ist sie immer noch.
Helga ist einer der ersten Gäste im neuen "Zentrum am Zoo", das nach anderthalb Jahren Bauzeit am 10. Februar von der Berliner Stadtmission und der Deutschen Bahn an der Rückseite der Bahnhofsmission offiziell eröffnet worden ist. Das Zentrum soll auf 500 Quadratmetern ein Ort für Begegnung, Bildung und Beratung für obdachlose und von Armut betroffene Menschen wie Helga sein. "Ein Hoffnungsort", wie der Koordinator des Zentrums, Wolfgang Nebel, sagt: "Hier sollen sich Wohnungs- und Obdachlose auf Augenhöhe mit anderen Berlinerinnen und Berlinern treffen und austauschen. Für Armutsrassismus ist hier kein Platz."
Am Bahnhof Zoo war und ist in Berlin die Kluft zwischen Arm und Reich schon immer besonders spürbar. Hier koexistiert auf engstem Raum Luxus mit den Marginalisierten einer Stadtgesellschaft: hier das Fünf-Sterne-Hotel und das Fotografie-Museum, dort die Suppenküche und das verramschte Obdachlosenlager.
Die Räume des "Zentrums" in den Katakomben des Bahnhofs waren früher die Polizeistation 24. Hier war unter anderem häufig Christiane F. arrestiert, die Protagonistin des Buches "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" von 1978, die auf dem benachbarten Drogenstrich anschaffen ging. Zwei der rotgeklinkerten Haftzellen blieben beim Umbau erhalten und dienen jetzt als Besprechungs- oder Rückzugsraum, wie Nebel sagt. Einige der Zellentüren mit eingeritzten Inschriften von ehemaligen Insassen hängen als Installation unter der Decke.
Das "Zentrum" umfasst Beratungs-, Seminar- und Mehrzweckräume, in denen die drei "Bs" des Konzepts umgesetzt werden können, wie Nebel sagt: "Beratung, Bildung, Begegnung." So bietet der größte Saal Platz für bis zu 60 Menschen. Es gibt eine kleine Bühne, eine Leinwand und einen mobilen Altar für Andachten und Gottesdienste. Hier sollen sich bei Konzerten, Lesungen und Filmvorführungen Menschen aus den unterschiedlichen Milieus treffen und austauschen. Man sei unter anderem mit der "Berlinale" im Gespräch, sagt Nebel: "Unser Haus steht allen offen."
Für das zweite "B", den Bildungsbereich, hat Deutschlands First Lady, Elke Büdenbender, die Schirmherrschaft übernommen. Hier wird es Informations- und Bildungsangebote geben, etwa für Schulklassen, Vereine und Firmen zum Thema Obdach- und Wohnungslosigkeit. Auch die Sicherheitsdienste von S-Bahn und Deutscher Bahn werden hier im Umgang mit Obdachlosen geschult. Eine Einstimmung auf das Thema geben bereits im Foyer einfühlsame Schwarz-Weiß-Porträts Berliner Obdachloser der Fotografin Debora Ruppert.
Das dritte "B", die Beratung, ist Nebel offenkundig eine Herzensangelegenheit. Sein zehnköpfiges Team umfasst neben Pädagoginnen und Pädagogen, einem Haustechniker und einer Diakonin auch Sozialarbeiter und Psychologinnen. "Unser Ziel ist, die Menschen so zu beraten und zu begleiten, dass sie mit unserer Hilfe ihr Leben wieder selbst in die Hand nehmen können", sagt er. Dass das geht, zeigt das Beispiel Helga.
Die Deutsche Bahn stellt nach Angaben der Stadtmission die Räumlichkeiten für 25 Jahre kostenlos zur Verfügung und übernimmt auch die laufenden Betriebskosten. Die Baukosten von rund 2,4 Millionen Euro wurden unter anderem vom Berliner Senat und der Deutschen Klassenlotterie gefördert.
Das bundesweit einmalige Projekt sieht sich als Ergänzung zur benachbarten Bahnhofsmission am Bahnhof Zoo. Dort werden täglich zwischen 500 und 700 Obdachlose mit Kleidung und Lebensmitteln versorgt.