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Kindernetzwerk: Pflegenden Eltern droht Altersarmut



Um ein behindertes Kind müssen sich die Eltern oft mehr kümmern als um ihre vollständig gesunden Kinder. Vor allem die Mütter verzichten dann auf die Ausübung eines Berufs - mit spürbaren finanziellen Folgen.

Ein behindertes Kind zu pflegen, birgt aus Sicht von Vertretern betroffener Familien ein großes finanzielles Risiko. Alleinerziehende oder alleinstehende Geschiedene, die sich um ein beeinträchtigtes Kind kümmern, gingen "mit offenen Augen in die Altersarmut", sagte die Vorsitzende des Kindernetzwerkes, Annette Mund, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das treffe vor allem Frauen, die "zu mindestens 90 Prozent die Pflege übernehmen".

Die meisten Mütter versuchten zunächst noch, die Pflege des Kindes mit einer Berufstätigkeit zu verbinden, sagte Mund. "Mit der Zeit merken sie dann, wie aufreibend die Arbeit neben den ganzen Arztterminen und Klinikaufenthalten ist und geben ihren Job auf – in der Hoffnung, irgendwann wieder einsteigen zu können", sagte die Vorsitzende des Netzwerkes, das Familien mit chronisch kranken oder behinderten Kindern berät und unterstützt. In der Regel bleibe es bei diesem Wunsch: "Je länger man aus dem Job raus ist, desto schwieriger wird natürlich der Wiedereinstieg." Gepflegt werden müssten die Kinder in der Regel mindestens bis zur Volljährigkeit.

Anstrengende Bürokratie

Selbst wenn die Kinder in die Schule gehen, bleibt dem pflegenden Elternteil laut Mund kaum freie Zeit. "Vor der Schule müssen die Kinder fertig gemacht und am Nachmittag wieder betreut werden", sagte sie. Hat das Kind Geschwister, müssten sich die Eltern auch um diese kümmern. Dazu komme die Bürokratie: "Eine Studie der Bertelsmann Stiftung hat gezeigt, dass Eltern von behinderten Kindern eine Woche pro Jahr damit verbringen, Anträge zu stellen und Widersprüche bei Ablehnung zu schreiben", sagte Mund. Zahlreiche Eltern kapitulierten irgendwann. "Viele Gelder werden gar nicht abgerufen, weil die ganze Bürokratie den Eltern zu anstrengend ist. Diese Familien kommen dann in finanzielle Schwierigkeiten."

Mund, die selber Mutter eines beeinträchtigten Kindes ist, wünscht sich flexiblere Arbeitgeber. "Es braucht mehr Möglichkeiten, im Homeoffice zu arbeiten und Arbeitszeiten nachzuholen", sagte sie. Kinderkrankentage seien bei Kindern mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen schnell aufgebraucht. "Wenn Arbeitgeber sich auf kurzfristige Ausfälle einstellen würden, wäre das eine große Hilfe", sagte sie.

Auch der Staat müsse mehr Hilfen zu Verfügung stellen, forderte Mund. Es fehle an Kurzzeitpflegeplätzen, auf Kinder spezialisierte Pflegediensten und angemessenen Betreuungsangeboten zum Beispiel für die Sommerferien. "Es muss endlich akzeptiert werden, dass die Eltern eine schwierige Arbeit machen und daher Unterstützung von allen Seiten brauchen", sagte sie.

Jana-Sophie Brüntjen