

Gelsenkirchen (epd). Der deutsche Gesundheitssektor ist nach Angaben von Arbeitsforschern und Sozialwissenschaftlern zu einer der wichtigsten Zielbranchen von kapitalstarken privaten Finanzinvestoren geworden. "Die Dynamik hat insbesondere in den letzten Jahren zugenommen", erklärte Sebastian Merkel vom Institut Arbeit und Technik (IAT) der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen am 13. Februar.
Gemeinsam mit Christoph Scheuplein und Michaela Evans untersuchte er Geschäftsmodelle vornehmlich ausländischer Investoren, die darauf basieren, Krankenhäuser, Arztpraxen, Pflegeheime und -dienste zu kaufen, zu restrukturieren und wieder zu verkaufen. Rund 130 Übernahmen im Gesundheitssektor gab es demnach seit dem Jahr 2013, davon 60 Prozent allein in den zurückliegenden zwei Jahren.
Vor allem Pflegeheime und Pflegedienste stünden im Fokus von sogenannten Private-Equity-Gesellschaften, lautet ein Ergebnis der IAT-Untersuchung. Der Pflegebereich stelle den wirtschaftlich wichtigsten Bereich der Übernahmen dar - mit rund 37.000 und damit mehr als der Hälfte aller Beschäftigen in den übernommenen Unternehmen. Die Forscher betonten, dass für die betroffenen Beschäftigten die Eigentümerwechsel und die möglichen Folgen häufig nicht transparent seien. "Gerade in der Altenpflege ist es problematisch, wenn Spielräume der Lohngestaltung und des Personalbesatzes genutzt werden und die ohnehin knappen Ressourcen als Renditen ins Ausland abfließen", erklärte Arbeitsforscherin Evans.
Übernahmen von privaten Finanzinvestoren bedeuteten eine starke Internationalisierung der Eigentümerstrukturen, hieß es. Während die ursprünglichen Eigentümer der Gesundheitseinrichtungen überwiegend ihren rechtlichen Sitz in Deutschland hatten, treffe dies nur auf etwa ein Drittel der Käufer zu. Alle Erfahrungen mit Private Equity in Deutschland zeigten, dass dies nur wenig gemildert werde, wenn die Investoren ihre Unternehmen weiter verkauften, erklärte der Sozialwissenschaftler Scheuplein.
Überwiegend würden die Übernahmen von fonds-basierten Gesellschaften aus europäischen Ländern und aus den USA getätigt. Zwei Drittel der beteiligten Fonds hatten demnach ihren rechtlichen Sitz in einem sogenannten Offshore-Finanzzentrum, vor allem auf den karibischen Kaimaninseln und auf der Ärmelkanal-Insel Guernsey, wohin die im deutschen Gesundheitssektor erzielten Gewinne abfließen.
Auch bei Facharztpraxen sei der Anfang eines Übernahme-Prozesses zu beobachten, erklärten die IAT-Forscher. Neben der Radiologie und der Augenheilkunde sei ein Beispiel auch die Zahnmedizin mit dem Aufbau von Zahnarzt-Ketten. Es gebe zwar erst sieben in Deutschland, doch allein drei von ihnen hätten erst im vergangenen Jahr ihren Expansionsprozess begonnen. Es entstünden integrierte Konzerne, bei denen alle Aktivitäten von der Zahnersatzherstellung über Labore bis zur Patientenversorgung angeboten werden.