Hannover (epd). Lehnt ein öffentlicher Arbeitgeber einen Stellenbewerber wegen seines Rentenalters ab, ist dies eine unzulässige Altersdiskriminierung. Selbst wenn ein Tarifvertrag eine Altersgrenzenregelung enthält, steht dem abgelehnten Rentner wegen der erlittenen Diskriminierung eine Entschädigung zu, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen in einem am 16. Oktober veröffentlichten Urteil.
Im konkreten Fall hatte die Stadt Osnabrück eine "Hauswirtschaftliche Anleitung im Zentrum für Jugendberufshilfe" gesucht. Ein 71-jähriger Rentner bewarb sich auf die Stelle und verwies auf seine Erfahrungen in dem Bereich, unter anderem beim Christlichen Jugenddorfwerk Deutschland e. V. Er wies ausdrücklich auf seinen Rentnerstatus hin.
Die Kommune erteilte ihm eine Absage und begründete dies damit, dass "keine Rentner eingestellt werden dürfen". Der Rentner fühlte sich wegen seines Alters unzulässig benachteiligt und verlangte eine Diskriminierungsentschädigung in Höhe von drei Monatsgehältern, insgesamt 8.271 Euro.
Es folgte zunächst eine Entschuldigung der Stadt. Die Formulierung der Absage, dass keine Rentner eingestellt werden dürfen, sei missverständlich. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) enthalte jedoch eine Altersgrenzenregelung, nach der ein Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats endet, in dem der Beschäftigte das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersrente vollendet hat.
Nach Erreichen der Altersgrenze sei ein erneutes Beschäftigungsverhältnis nur mit Zustimmung der zuständigen Personalvertretung möglich, so die Stadt. Wegen der Entscheidungspraxis der Personalvertretung sei davon auszugehen, dass der Kläger nach einem positiven Auswahlverfahren nicht die erforderliche Zustimmung erhalten hätte.
Das Arbeitsgericht Osnabrück sprach dem 71-Jährigen wegen der erlittenen Altersdiskriminierung die gewünschte Entschädigung von 8.271 Euro zu. Das LAG Hannover stellte ebenfalls eine Altersdiskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) fest, verringerte jedoch den Entschädigungsanspruch auf ein Monatsgehalt in Höhe von 2.757 Euro.
Der Kläger sei wegen seines Rentnerstatus nicht zum Bewerbungsverfahren zugelassen und damit unmittelbar wegen seines Lebensalters benachteiligt worden. Der 71-Jährige sei auch objektiv für die Stelle geeignet gewesen. Mit der Ablehnung sei ihm die Chance versagt worden, den Arbeitgeber von seiner Bewerbung zu überzeugen. Es komme auch nicht darauf an, dass die Kommune die Stelle letztlich gar nicht besetzt hat.
Die Stadt habe den Vorwurf der Altersdiskriminierung nicht entkräften können, urteilte das LAG. Es gebe zwar im TVöD eine Altersgrenzenregelung in Bezug auf die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Die Regelung hindere eine Kommune aber nicht daran, Altersrentner neu einzustellen. Es gebe nach den tariflichen Bestimmungen auch keine Rechtfertigung dafür, dass ein Bewerber überhaupt nicht in die Auswahl einbezogen wird.
Allerdings sei die Entschädigungshöhe auf ein Brutto-Monatsgehalt zu verringern, so die Hannoveraner Richter. Die Höhe reiche aus, um eine "abschreckende Wirkung" zu erzielen. Außerdem habe es sich hier eh nur um eine auf neun Monate befristete Stelle gehandelt.
Bereits am 23. August 2012 hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass Arbeitgeber sich auch dann nicht um eine Diskriminierungsentschädigung drücken können, wenn die Stelle später gar nicht besetzt wird. Ob die Stelle besetzt wurde oder nicht, spielt für eine erlittene Diskriminierung im Bewerbungsverfahren keine Rolle. Auf diese Entscheidung stützte sich auch das LAG.
In einem weiteren Urteil vom 24. Januar 2013 betonte das BAG, dass öffentliche Arbeitgeber nach der Verfassung verpflichtet seien, Stellen nur nach "Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Bewerber" zu besetzen. Eine alleinige Suche nach "Hochschulabsolventen" könne ein Indiz für eine Altersdiskriminierung sein, so die Erfurter Richter.
Az.: 17 Sa 1302/17 (LAG, Altersdiskriminierung)
Az.: 8 AZR 285/11 (BAG, unbesetzte Stelle)
Az.: 8 AZR 429/11 (BAG, Hochschulabsolventen)