Ausgabe 35/2017 - 01.09.2017
Hannover (epd). Fachleute haben die Sprachbarriere zwischen Ärzten und Flüchtlingen in Deutschland als "Skandal" bezeichnet. "Es werden einfach keine Dolmetscher finanziert", sagte der Psychiater Heinz-Jochen Zenker am 25. August in Hannover bei einem Fachtag für die psychosoziale Versorgung von Flüchtlingen. Kliniken müssten sich Übersetzer oft aus anderen Haushaltsposten "abknapsen", niedergelassene Ärzte könnten dies überhaupt nicht, sagte der Mediziner. "Aber der Gesetzgeber geht an das Problem nicht heran." Generell gebe es eklatante strukturelle Defizite in der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen - "selbst wenn man es als Arzt oder Klinikchef gut meint".
Migration spiele in der medizinischen Ausbildung eine erschreckend geringe Rolle, kritisierte Zenker. Zudem arbeite das deutsche Gesundheitssystem fast ausschließlich angebotsorientiert, Bedarfe bei Flüchtlingen würden nicht ermittelt. Die Zivilgesellschaft versuche diese strukturelle Versorgungslücke mit Hilfe psycho-sozialer Beratungszentren zu schließen. Doch diese deckten derzeit schätzungsweise nur ein Viertel des Bedarfes ab. Der Mediziner ist Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer. Rund 40 Prozent aller hier ankommenden Flüchtlinge sind Zenker zufolge traumatisiert.