Ausgabe 16/2017 - 21.04.2017
Dinslaken (epd). Politiker müssen der Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor zufolge sehr viel deutlicher kommunizieren, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und auch bleiben werde. "Ich glaube, dass man bisher bewusst bestimmten Bevölkerungsgruppen nicht sagen wollte, dass sich unsere Gesellschaft - wie jede andere auf der Welt - auf Dauer ändert", sagte die Buchautorin dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Dass bereits jetzt jeder fünfte Einwohner einen Migrationshintergrund habe, werde auch in Zukunft der Normalzustand sein. Die politische Mitte lasse sich aber zu sehr vom rechten politischen Flügel beeinflussen, kritisierte die Gründungsvorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes. Einwanderung lasse sich auch nicht, wie häufig angedeutet werde, wieder abschaffen. "Ein Anfang wäre, nicht immer von dieser surrealen Sehnsucht nach Homogenität zu reden." Diese Einheitlichkeit habe es nie gegeben und werde es auch nie geben.
Um zu einem modernen Einwanderungsland zu werden, brauche die Bundesrepublik ein Einwanderungsministerium und entsprechende Gesetze, forderte Kaddor. Auch Richtlinien für die Integration seien noch nicht ausreichend festgelegt. Dazu gehöre das Erlernen der Sprache, Kultur und Geschichte eines Landes ebenso wie das Anerkennen des Grundgesetzes und das Bemühen um einen Arbeitsplatz. "Wer sich erfolgreich integriert hat, muss dann aber auch in der Mehrheitsgesellschaft gleichberechtigt anerkannt werden."
Einwanderung gehöre zur Gesellschaft ebenso wie ihr stetiger Wandel, betonte Kaddor. Bestimmte Teile der Bevölkerung wollten dies aber offenbar nicht wahrhaben. Dies werde beispielsweise deutlich, wenn gut integrierte Menschen wie sie selbst immer noch mit Phrasen wie "Hau ab" beschimpft würden, sagte Kaddor, deren Eltern aus Syrien stammen.
Die Lehrerin an einer Hauptschule in Dinslaken hatte im vergangenen Jahr nach dem Erscheinen ihres neuen Buches über Fremdenfeindlichkeit in Deutschland Morddrohungen und Hassbriefe erhalten. Daraufhin ließ sie sich aus Sicherheitsgründen vom Schuldienst beurlauben. Mittlerweile habe sie 150 Strafanträge gestellt, die zumindest teilweise eine abschreckende Wirkung zeigten, sagte Kaddor. "Diejenigen, die vorher auf Facebook und Twitter gegen mich gehetzt haben, sind mittlerweile durchaus vorsichtiger."