Die ehrenamtliche Flüchtlingsmentorin Monika Schubert (Name geändert) hatte gehofft, dass man ihrem Schützling bei der örtlichen Industrie- und Handelskammer (IHK) helfen könnte. Schnell wurde aber klar, dass die IHK-Flüchtlings-Beraterin für den jungen Afghanen keine Einstiegsmöglichkeit in den Job anzubieten hatte. "Hellhörig wurde die Beraterin allerdings, als sie erfuhr, dass mein Schützling gerade ein Praktikum macht, das ich ihm selbst über private Kontakte vermittelt hatte", berichtet die Flüchtlingsmentorin. "Sie bat uns um eine Kopie der Praktikumszusage." Allerdings sollte das nicht etwa der Jobsuche für den jungen Mann dienen. "Nein, die wollte sie zu ihren Akten nehmen und als eigene erfolgreiche Vermittlung ausgeben", empört sich Schubert.

Ganz freimütig gestand die IHK-Mitarbeiterin der Flüchtlingsmentorin, dass sie Schwierigkeiten habe, die geforderte Anzahl erfolgreicher Vermittlungen zu erreichen. Da könne sie jeden zusätzlichen Nachweis gebrauchen. "Dass selbst eine IHK-Mitarbeiterin so verzweifelt ist, wirft kein gutes Licht auf die Bereitschaft der Unternehmen, Flüchtlinge zu beschäftigen", schlussfolgert Schubert.

Wieder klassische Bewerbungen

Tatsächlich beobachten Flüchtlingshelfer derzeit eine sinkende Bereitschaft bei Unternehmen, Flüchtlingen Einstiegsmöglichkeiten zu bieten. Die Welle der Aufmerksamkeit, die es 2015 und 2016 gegeben habe, sei deutlich abgeebbt, sagt Ulrike Garanin, Vorstand von "Joblinge". Die Initiative mit Sitz in München und Geschäftsstellen in bundesweit 30 Städten schult junge Flüchtlinge und vermittelt sie in Arbeit sowie Ausbildung. Von den 2.000 Partner-Unternehmen mit denen die Initiative zusammenarbeite, sei zwar keines abgesprungen, sagt Garanin. "Aber es gab eine Rückkehr zur Normalität."

In den Jahren zuvor seien viele Unternehmen bereit gewesen, von ihren klassischen Bewerbungsprozessen abzuweichen, sagt Garanin. "Jetzt heißt es wieder: Bewerben Sie sich mit anerkannten Zeugnissen und den üblichen Unterlagen." Das aber sei oftmals ein Problem, weil Flüchtlingen häufig die nötigen Nachweise fehlten. "Wenn man unsere Jugendlichen nur anhand der Papiere beurteilt, haben sie oft keine Chance."

Andere Initiativen bestätigen diesen Eindruck. "Die Willkommenskultur ist verpufft", stellt die Vorstandsvorsitzende des Essener Vereins "Werden hilft!", Ulla Lötzer, fest. Die Bereitschaft von Firmen, Praktika oder Beschäftigungsmöglichkeiten für Flüchtlinge bereitzustellen, sei deutlich gesunken.

"Weiter hohe Relevanz"

Der Arbeitsmarktexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Stefan Hardege, will das hingegen so nicht stehen lassen. "Das Thema Integration von Flüchtlingen hat für die Unternehmen weiterhin hohe Relevanz", stellt er fest. Insgesamt bilden laut DIHK 14 Prozent der IHK-Betriebe knapp 20.000 Flüchtlinge aus.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks meldet eine zunehmende Zahl von Lehrlingen mit Fluchthintergrund. Mit 11.000 Auszubildenden aus den acht häufigsten Herkunftsländern von Asylbewerbern habe sich ihre Zahl im Jahr 2017 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt.

Auch die Bundesagentur für Arbeit verweist auf Erfolge. Immer mehr Geflüchtete kämen in Arbeit, heißt es. Allein zwischen Juli 2017 und Juni 2018 hätten 90.000 eine Beschäftigung gefunden.

Unbestritten ist, dass die Ausbildung von Flüchtlingen für die Betriebe häufig auch mit Problemen verbunden ist. So reichten die Sprachkenntnisse der Azubis oft nicht aus und es würden zu wenige berufsbezogene Sprachkurse angeboten, erklärt Hardege. Ein Hemmnis für die Beschäftigung von Flüchtlingen sei auch, dass die Arbeitgeber deren Aufenthaltsstatus und die Zugangsberechtigung zum Arbeitsmarkt oft kaum abschätzen könnten.

Laut Bundesagentur für Arbeit sind derzeit 180.000 Flüchtlinge auf Jobsuche. "Wir brauchen jetzt eine Aufmerksamkeit wie 2015", fordert Garanin.