São Paulo/Genf (epd). Nicaraguas Staatspräsident Daniel Ortega hat die katholische Kirche als Putschisten beschimpft. Die Geistlichen fühlten sich den Putschisten verpflichtet und unterstützten sie dabei, ihn zu stürzen, sagte Ortega bei einer Feier zum 39. Jahrestag der Revolution gegen die Somoza-Diktatur, wie die Tageszeitung "La Prensa" am 19. Juli berichtete. Kirchengebäude seien als Waffenlager und für Angriffe genutzt worden, sagte Ortega.
Der Präsident steht wegen seines autoritären Regierungsstils und des harten Vorgehens gegen Demonstranten in der Kritik. In den vergangenen Wochen hatten regierungsnahe Gangs zunehmend Angriffe auf Geistliche und Anschläge auf Kirchen verübt. Die katholische Kirche agiert als Vermittler bei Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition, die aber ausgesetzt sind. Ziel war die Beilegung der seit Monaten anhaltenden blutigen Zusammenstöße.
Die katholische Kirche habe sich durch ihre Handlungen als Vermittlerin disqualifiziert, sagte Ortega. "Ich dachte, sie wären Mediatoren, aber sie sind den Putschisten verpflichtet. Sie sind ein Teil des Putschplanes", sagte der sandinistische Staatschef. In Nicaragua finde eine bewaffnete Verschwörung statt, die aus dem In- und Ausland finanziert werde.
Ortega ging mit keinem Wort auf die mit großer Mehrheit verabschiedete Erklärung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ein, die seine Regierung und von ihr finanzierte paramilitärische Einheiten für Menschenrechtsverletzungen und Repression in Nicaragua verantwortlich macht. Ortega kündigte jedoch an, "neue Einheiten der Selbstverteidigung zum Schutz der Familien" zu schaffen. Bewaffnete regierungsnahe Motorradgangs werden für einen Großteil der Morde bei den Protesten verantwortlich gemacht.
Weihbischof Silvio Báez, der als Vermittler den Dialog zwischen Regierung und Opposition leitete, antwortete via Kurznachrichtendienst Twitter auf Ortegas Attacken: "Die Kirche leidet nicht dafür, dass sie verleumdet, angegriffen und verfolgt wird." Sie leide mit denjenigen, die ermordet wurden, für die trauernden Familien, für die zu Unrecht Inhaftierten, betonte er.
Bei den seit drei Monaten andauernden Unruhen wurden nach Angaben der nicaraguanischen Menschenrechtskommission ANPDH bereits mehr als 360 Menschen getötet. Bürgerrechtler fordern Ortegeas Rücktritt und vorgezogene Neuwahlen. Ortega lehnt dies ab.
Die katholischen Bischöfe in Lateinamerika riefen zu Gebeten für Nicaragua auf. Auch der Weltkirchenrat, dem protestantische, anglikanische und orthodoxe Kirchen angehören, äußerte sich sehr besorgt um die Menschenrechte und den Rechtsstaat in Nicaragua. "Wir fordern die Regierung von Präsident Daniel Ortega auf, die entsetzliche Gewalt zu beenden und die Bevölkerung zu schützen", sagte der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Olav Fyske Tveit, am 20. Juli in Genf.