Der Protest aus der evangelischen Kirche gegen die europäische Abschottung gegenüber Flüchtlingen wird lauter. Der Migrationsexperte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Manfred Rekowski, äußerte sich entsetzt über die Kriminalisierung humanitärer Rettungseinsätze im Mittelmeer. Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister sagte, "so hoch kann man Mauern und Zäune gar nicht bauen, dass wir verzweifelte Menschen in Not abhalten können, zu uns zu kommen".

Der rheinische Präses Rekowski sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Seenotrettung ist nach internationalem Recht eine humanitäre Verpflichtung." Der EKD-Migrationsexperte besucht ab 16. Juli das von den maltesischen Behörden festgesetzte Rettungsschiff "Sea-Watch 3" im Hafen Vallettas. "Indem europäische Regierungen Seenotrettungseinsätze von Schiffen wie 'Sea-Watch' im Mittelmeer verhindern, erzwingen sie gewissermaßen eine unterlassene Hilfeleistung", sagte Rekowski.

Mit Nachdruck wies er Vorwürfe zurück, die private Seenotrettung spiele kriminellen Schleusern in die Hände. "Ich bin empört, wie seit einiger Zeit humanitäre Einsätze geradezu kriminalisiert werden", sagte er. "Soll man die in Seenot geratenen Flüchtlinge denn wissentlich ertrinken lassen?" Der hannoversche Landesbischof Meister mahnte, nicht taub zu werden für die einzelnen Geschichten der Not. Es sei "beschämend", dass das Humanitätsideal gegenwärtig auf der Strecke bleibe, sagte er der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (13. Juli).

Petition im Internet

Meister rief Politik und Wirtschaft zu einem verstärkten Einsatz auf, um weltweite Armut zu bekämpfen: "Die Alternative wäre, fortwährende Ungerechtigkeit zu akzeptieren, und damit den massenhaften Tod von Menschen." Im Internet findet derzeit eine Petition für eine humane Asylpolitik starke Unterstützung. Bis zum Morgen des 16. Juli unterzeichneten rund 39.000 Menschen den Aufruf, der die Kirchen zu einer deutlicheren Stellungnahme auffordert.

«Die Regierungen in Europa dürfen sich nicht aus der Verantwortung stehlen, indem sie Grenzen schließen und Menschen in Not abwehren», heißt es in dem Aufruf. Es sei richtig, durch Grenzkontrollen festzustellen, wer nach Europa einreist. «Aber es ist völkerrechtswidrig, Menschen in Seenot nicht zu retten», wird in dem Schreiben betont.

Gestartet wurde die Petition von drei Mitgliedern des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentags: dem Europapolitiker Sven Giegold (Grüne), der Autorin Beatrice von Weizsäcker und dem Historiker Ansgar Gilster, der in diesem Themenfeld auch für die EKD arbeitet. «Menschen, die Flüchtlingen helfen, dürfen nicht kriminalisiert werden», sagte Weizsäcker dem Evangelischen Pressedienst (epd). «Wir verlieren unsere Würde, wenn wir uns entgegen internationalem Seerecht weigern, Schiffbrüchige aufzunehmen, um ihnen so die Flucht zu erschweren», sagte Giegold.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, kritisierte einen menschenverachtenden Grundton in der Asyldebatte. Im Bayerischen Rundfunk (BR) sprach er von einem bespiellosen Verfall der Sprache und Sitten. Er forderte eine verbale Abrüstung: "Auch die Menschen, die abgeschoben werden, sind Menschen, geschaffen nach dem Bilde Gottes."