Kirchentag

"Auge und Ohr Deutschlands"




Banner des Kirchentags am Nürnberger Rathaus
epd-bild/Anestis Aslanidis
Die Themen Ukraine-Krieg und Klimaschutz sind Schwerpunkte auf dem 38. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Nürnberg. Die Großveranstaltung soll Hoffnung vermitteln. "Wir sind so eine Art Lagerfeuer", sagt Kirchentagspräsident Thomas de Maizière.

Nürnberg (epd). Die rund tausendjährige Geschichte Nürnbergs ist geprägt von Kunst, Handwerk und Gelehrsamkeit. Martin Luther (1483-1546) bezeichnete die mittelfränkische Stadt einmal als „das Auge und Ohr Deutschlands“. Durch den neuen Buchdruck verbreiteten sich seine reformatorischen Ideen auch rasant in Nürnberg, bis heute ein guter Ort für Protestanten: In der Stadt an der Pegnitz findet vom 7. bis zum 11. Juni der 38. Deutsche Evangelische Kirchentag statt. Dazu werden rund 100.000 Teilnehmer erwartet.

2.000 Einzelveranstaltungen an fünf Tagen sollen die ganze Bandbreite von Kirche und Gesellschaft abdecken. Das Programm besteht laut Kirchentags-Generalsekretärin Kristin Jahn aus drei Kraftzentren: Spiritualität, Gesellschaftspolitik und Kultur. Erstmals wurden im Programm sogenannte Weiße und Graue Flecken festgelegt. So können aktuelle Ereignisse in das sonst monatelange im Voraus geplante Programm eingehen, so die Veranstalter.

„Leben in besonderen Zeiten“

Die Losung lautet „Jetzt ist die Zeit“, Worte aus dem Markusevangelium. „Mittlerweile sind wir alle einig, dass wir in besonderen Zeiten leben“, erklärte Kirchentagspräsident Thomas de Maizière, früherer CDU-Bundesinnen- und Bundesverteidigungsminister. Der Kirchentag wolle fragen, was das für Zeiten sind und inwiefern diese Zeiten besonders sind - vor allem mit Blick auf den Krieg, auf Frieden, auf Schöpfung, auf Gerechtigkeit und Demokratie, sagte de Maizière jüngst dem Medienmagazin „Pro“. Er wünsche sich, dass die Menschen den Kirchentag als „Schatz“ wahrnehmen, den es sonst nicht gibt. „Wir sind so eine Art Lagerfeuer“, sagte de Maizière.

Umweltschutz soll Kernthema auf dem Kirchentag sein. Im Programm widmen sich mehr als 100 Veranstaltungen unterschiedlichsten Aspekten des Themas Bewahrung der Schöpfung. Erwartet werden Vertreterinnen und Vertreter aus Klimaschutzbewegungen wie Luisa Neubauer oder Vanessa Nakate aus Uganda, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sowie die Politökonomin Maja Göpel. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Altbundespräsident Joachim Gauck wollen am Samstag auf einem Podium sprechen.

Ausgespart wird nicht die Zeit, in der Nürnberg der Selbstdarstellung des NS-Regimes diente, Stichwort „Stadt der Reichsparteitage“ und „Nürnberger Rassegesetze“. Nach Kriegsende standen die NS-Hauptkriegsverbrecher hier vor dem internationalen Militärtribunal. Der Aktualität des Antisemitismus widmet sich ein Podium mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sowie dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein.

Treffpunkt für Christen oder mehr Öffnung zur Gesellschaft

Seit rund vier Jahren laufen die organisatorischen Vorbereitungen für den Nürnberger Kirchentag. Man sei „bestens vorbereitet“, erklärten die Veranstalter Mitte Mai. Nürnberg sei eine eventerprobte Stadt, sagte Janine Rolfsmeyer, Vorstand Organisation des Kirchentages. Polizeidirektor Andreas Belger vom Polizeipräsidium Mittelfranken betonte: „Wir werden während des Veranstaltungszeitraums sichtbar präsent sein.“ In enger Abstimmung mit den Behörden soll das Sicherheitskonzept fortlaufend der aktuellen Sicherheitslage angepasst werden. Rund 4.000 Ehrenamtliche des Kirchentages werden am Halstuch mit der Aufschrift 'Ich helfe' erkennbar sein.

Das Protestantenfest steht vor einem Wandlungsprozess. Dieser Ansicht ist Kirchentags-Generalsekretärin Jahn. Die Frage sei, ob der Kirchentag hauptsächlich ein Treffpunkt für Christen sein soll, oder ob man sich mehr für die Gesellschaft öffnen wolle, sagte Jahn im März. Immer wieder gibt es auch Überlegungen für einen vierten Ökumenischen Kirchentag, nach dem ersten 2003 in Berlin, dem zweiten 2010 in München und dem dritten 2021 in Frankfurt am Main.

In den nächsten Jahren feiert man allerdings noch konfessionell getrennt, wenn sich auch die beiden Christentreffen Beobachtern zufolge zunehmend angleichen. Die nächsten beiden Deutschen Katholikentage finden 2024 in Erfurt und 2026 in Würzburg statt, die Evangelischen wollen sich 2025 in Hannover und 2027 in Düsseldorf wieder zum Kirchentag treffen.

epd video

Von Stephan Cezanne (epd)


Streitbarer Präsident




Thomas de Maizière
epd-bild/Timm Schamberger
Er ist Christ und war zugleich harter Verhandlungsgegner beim Kirchenasyl: Thomas de Maizière hat es den Kirchen als Bundesminister nicht immer leicht gemacht. Nun ist er Präsident des evangelischen Kirchentags in Nürnberg.

Berlin (epd). Für so manchen passen sie auf den ersten Blick nicht zusammen: Hier der evangelische Kirchentag, traditionell kritisch in Rüstungsfragen, fordernd, was Rettung und Aufnahme Asylsuchender angeht. Und dort der frühere Verteidigungs- und Innenminister Thomas de Maizière, der in seiner Amtszeit mit den Kirchen hart ums Kirchenasyl stritt. Der CDU-Politiker ist in diesem Jahr Präsident des 38. Deutschen Evangelischen Kirchentags, der in der zweiten Juniwoche in Nürnberg stattfindet.

Wer Kirchentage besucht, weiß allerdings, dass de Maizière nicht nur regelmäßiger Gast und diskussionsfreudiger Diskutant beim Christentreffen ist, sondern auch eng mit der Bewegung verbunden. Seit 20 Jahren ist er Mitglied des Präsidiums der Laienbewegung. Auch in seiner Zeit als Bundesminister war der Kirchentag fester Teil des Terminkalenders.

De Maizière selbst irritiert es daher gar nicht, als CDU-Politiker Präsident des Kirchentags zu sein, dem eher eine Nähe zur SPD und den Grünen nachgesagt wird. Selbst wenn es so wäre, „würde es höchste Zeit, dass jemand wie ich mal Präsident wird“, sagte de Maizière im Frühjahr in einem Gespräch mit dem epd. Er wolle „die Meinungsblase aufstechen“ und den Kirchentag öffnen, ergänzte der 69-Jährige, dessen zurückliegende Karriere zeigt, dass er Meinungsdifferenzen nicht aus dem Weg geht. Im Gegenteil: Demokratie bedeute Debatte, Streit, Auseinandersetzung, sagte de Maizière einmal als Innenminister. Für den Kirchentag könnte er also im buchstäblichen Sinne ein streitbarer Präsident sein.

Kanzleramtschef und Minister

Angefangen hat de Maizières Karriere als Mitarbeiter des damaligen Regierenden Bürgermeisters in Berlin, Eberhard Diepgen (CDU). 1985 machte dieser de Maizière zum Leiter des Grundsatzreferates der Senatskanzlei. Nach dem Fall der Mauer verhandelte er damals als Mittdreißiger den Einigungsvertrag mit, wurde Chef der Staatskanzlei in Mecklenburg-Vorpommern, dann in Sachsen. 2005 holte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) de Maizière als ihren ersten Kanzleramtschef nach Berlin.

In Merkels Regierungszeit war de Maizière später Innenminister, dann Verteidigungsminister, nachdem Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wegen der Plagiatsaffäre zurücktreten musste. 2013 zog er wieder an die Spitze des Bundesinnenministeriums und mit dem Haus um, aus dem Provisorium in Berlin-Moabit in die unmittelbare Nachbarschaft des Kanzleramts.

Es ist das Jahr, in dem Hunderttausende Flüchtlinge aus Syrien Deutschland erreichen, nachdem Ungarn und Österreich die Flüchtlinge weiterleiteten. Schon seit dem Frühsommer ist die Fluchtbewegung das Hauptthema für den Innenminister. Es bereitet ihm im Herbst lange Arbeitstage, oft bis in die Nacht, wie Mitarbeiter sagen. Charakterisieren sie de Maizière, fallen vor allem solche Worte: fleißig, genau, ein „Aktenfresser“. Die Krise um die Unterbringung der Schutzsuchenden fordert den Innenminister sichtlich. Die anfängliche Willkommensstimmung kippt, das Thema polarisiert vermehrt.

Nach der Bundestagswahl 2017 und quälend langen Koalitionsverhandlungen beansprucht die CSU das Innenministerium für sich. Minister wird der damalige Parteichef Horst Seehofer, der die Flüchtlingspolitik Merkels und de Maizières scharf angegriffen hatte, gar von einer „Herrschaft des Unrechts“ sprach. Als „ehrabschneidend“ habe er diesen Vorwurf empfunden, bekennt der Jurist de Maizière rückblickend in seinem Buch „Regieren“.

„Getragen von tiefer Zuversicht“

Mit dem Ausscheiden aus dem Kabinett ist de Maizière weiter einfacher Bundestagsabgeordneter. Zuvor von Personenschützern umgeben, sieht man ihn nun auch mal allein mit dem Fahrrad durchs Regierungsviertel fahren. Bei der Wahl 2021 kandidiert de Maizière nicht mehr für den Bundestag.

Im selben Jahr wird er Kirchentagspräsident. Als Politiker hat er oft betont, wie ihm der Glaube an Gott bei Entscheidungen geholfen oder auch entlastet hat. Mit Blick auf das Treffen in Nürnberg, wo die großen Krisen dieser Zeit diskutiert werden sollen - Ukraine-Krieg, Klimawandel, Flucht - beschreibt er es so: „Wir sind getragen von einer tiefen Zuversicht, dass die Welt nicht untergeht.“ Dafür müsse man aber auch etwas tun.

Von Corinna Buschow (epd)


Zur Person: Kristin Jahn




Kristin Jahn
epd-bild/Tim Wegner

Nürnberg (epd). Die Thüringerin Kristin Jahn ist seit Februar 2022 Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages. Die Theologin und promovierte Literaturwissenschaftlerin stammt aus der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), wo sie von 2017 an als Superintendentin den Kirchenkreis Altenburger Land leitete.

Vorherige Stationen der 46-Jährigen waren die Stadtkirchengemeinde Wittenberg sowie die Gemeinde Vachdorf/Meiningen in Thüringen. 2019 predigte Jahn bei einem der Abschlussgottesdienste des Kirchentages auf der Seebühne im Dortmunder Westfalenpark. Jahn ist alleinstehend.

Als Generalsekretärin führt Jahn den sechsköpfigen Vorstand des Kirchentages, das sogenannte Kollegium, und hat die Verantwortung für die Mitarbeitenden an den Standorten Fulda und Nürnberg, der Gastgeberstadt des Kirchentages 2023. Dort ist das protestantische Laientreffen vom 7. bis 11. Juni zu Gast. 2025 findet der Kirchentag in Hannover statt.



Kirchentagslosung: "Jetzt ist die Zeit"




Litfasssäule in Nürnberg
epd-bild/Anestis Aslanidis

Nürnberg (epd). Der 38. Deutsche Evangelische Kirchentag in Nürnberg steht unter der Losung „Jetzt ist die Zeit“ aus dem Markus-Evangelium (Mk. 1,15). Das Leitwort ist angelehnt an die Erzählung vom Beginn Jesu Wirken in Galiläa. Zuvor wird berichtet, wie Jesus im Jordan von Johannes dem Täufer getauft wird. Nachdem Johannes von den römischen Machthabern inhaftiert und letztlich getötet wird, zieht Jesus durch Galiläa und verkündet Gottes Botschaft.

Wörtlich heißt es im Vers des Markus-Evangeliums: „Nachdem aber Johannes überantwortet war, kam Jesus nach Galiläa und predigte das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“

Laut Kirchentagspräsident Thomas de Maizière passt das Leitwort in die globale Zeitenwende. Man erlebe eine Zeitenwende, einen Epochenbruch, erschütterte Gewissheiten. Die Losung zwinge dazu, sich darüber klar zu werden, was das Besondere an diesen Zeiten sei. „Beim Kirchentag wollen wir versuchen, eine Zeitendeutung zu machen“, sagte de Maizière dem Evangelischen Pressedienst (epd).




Service

Kirchentag: Die wichtigsten Fragen und Antworten für Besucher




Ohne sie geht nichts: Ehrenamtliche Helfer
epd-bild/Anestis Aslanidis
Was passiert beim Kirchentag, wie komme ich hin und kann ich eigentlich Sonderurlaub nehmen? Antworten auf praktische Fragen rund um das Großereignis in Nürnberg und Fürth.

Nürnberg/Frankfurt a.M. (epd). Der evangelische Kirchentag ist ein religiöses Großereignis in Deutschland. Selbst Menschen, die sonst wenig mit der Kirche zu tun haben, kommen mit dem Kirchentag in Berührung - allein schon durch volle Züge mit Pfadfindern und Menschen mit bunten Kirchentagsschals. Das erste große evangelische Laien-Treffen nach der Corona-Pandemie ist vom 7. bis 11. Juni in Nürnberg Gast. Wer hinfährt, sollte Folgendes wissen:

Was passiert beim Kirchentag?

Der Kirchentag ist politische Diskussionsveranstaltung, Kulturfestival und religiöses Ereignis in einem. Zentrale gesellschaftliche Themen werden mit den Spitzen der deutschen Politik und führenden Theologen diskutiert. Bei diesem Kirchentag stehen die Themen Friedensethik in Zeiten des Ukraine-Krieges, Rassismus und Zukunft der Kirche in einer säkularen Gesellschaft im Zentrum.

Unter den Gästen und Rednern sind Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), CDU-Chef Friedrich Merz und die frühere CDU-Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Beide kommen auf Einladung von Kirchentagspräsident Thomas de Maizière. Natürlich kommt die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus. Für ihren Vorgänger, den bayerischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm wird es der letzte Kirchentag seiner Amtszeit sein. Auch einige katholische Bischöfe, darunter der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, nehmen teil.

Wo finden die Veranstaltungen des Kirchentags statt?

Veranstaltungen finden überall in der Nürnberger Innenstadt sowie auf dem Messegelände statt. Auch in Fürth wird es Veranstaltungen geben. Alle Hinweise zu den Orten sind in der Kirchentags-App zu finden, über die man auch sein eTicket verwalten kann.

Was kosten die Karten?

Eine 5-Tage-Karte kostet in diesem Jahr 119 Euro, ermäßigt 69 Euro. Menschen, die Sozialleistungen beziehen, können ein Förderticket für 19 Euro erwerben. Familien zahlen 179 Euro, Studierende und Schüler aus der Region Nürnberg 30 Euro. Tageskarten kosten 39 Euro, ermäßigt 29 Euro. Karten können im Internet über die Seite www.kirchentag.de bestellt werden. In vielen Buchhandlungen, Kirchengemeinden und kommunalen Tourist-Informationen gibt es Vorverkaufsstellen, die ebenfalls auf der Internetseite des Kirchentags aufgelistet sind.

Wie kommt man hin?

Der Kirchentag bittet seine Gäste, möglichst nicht mit dem eigenen Pkw anzureisen, sondern die Bahn zu nehmen oder als Gruppe einen Reisebus zu organisieren. Der Kirchentag kooperiert zwar mit der Deutschen Bahn, anders als in anderen Jahren wird es aber keine vom Kirchentag organisierten Sonderzüge nach Nürnberg geben. Zudem weisen Kirchentag und Bahn auf den Schienenersatzverkehr zwischen Würzburg und Nürnberg in diesem Zeitraum hin. Fernverkehrszüge werden umgeleitet.

Wie komme ich während des Kirchentags von A nach B?

Der Kirchentag empfiehlt, den ÖPNV zu nutzen. Im Gebiet des Verkehrsverbundes Großraum Nürnberg kann man mit dem Kirchentags-Ticket kostenlos reisen. Die Nürnberger Bahnhofsmission bietet in Zusammenarbeit mit der Johanniter-Jugend eine Umstiegshilfe an. Kirchentagsbesucher können sich ein VAG-Rad ausleihen. Dafür muss man sich einmalig gebührenfrei in der App NürnbergMOBIL registrieren. Für Menschen, die mobil eingeschränkt sind, bietet der Kirchentag einen kostenfreien Fahrdienst der Johanniter an.

Kann ich für den Kirchentag Sonderurlaub nehmen?

In der Regel können sich Schülerinnen und Schüler für die Teilnahme freistellen lassen. Dazu müssen sie meistens bei der Schulleitung einen Antrag stellen. Arbeitnehmer haben in vielen Bundesländern die Möglichkeit, für den Kirchentagsbesuch Sonder- oder Bildungsurlaub zu nehmen. In vielen Bundesländern wird der Kirchentag als Bildungsveranstaltung anerkannt.



Höhepunkte des Kirchentags



Nürnberg (epd). Rund 2.000 Veranstaltungen in fünf Tagen: Besucherinnen und Besucher des Kirchentags vom 7. bis zum 11. Juni in Nürnberg werden es auch beim 38. Deutschen Evangelischen Kirchentag schwer haben, den Überblick zu behalten. Einige Höhepunkte aber sind im Programm auszumachen:

Traditionell zählen Anfang und Ende zu den besonderen Erlebnissen: Es gibt zwei Eröffnungsgottesdienste: einen auf dem Hauptmarkt und einen in Leichter Sprache auf dem Kornmarkt in der Nürnberger Innenstadt. Beim „Abend der Begegnung“ steht das Straßenfest unter dem Motto „Wir. Hier. Jetzt.“ und lädt dazu ein, bayerisch-fränkische Vielfalt zu entdecken. Zu den Schlussgottesdiensten versammeln sich Menschen an denselben Orten wie bei der Eröffnung auf dem Hauptmarkt und für den Gottesdienst in Leichter Sprache auf dem Kornmarkt.

Einen besonderen inhaltlichen Schwerpunkt des diesjährigen Kirchentages bildet das Thema „Bewahrung der Schöpfung“. Mehr als 100 Veranstaltungen des Programms drehen sich um das Thema Umweltschutz.

Zum Kirchentag in Nürnberg haben sich viele Prominente angekündigt. Neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kommen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), CDU-Chef Friedrich Merz, der Kabarettist Eckart von Hirschhausen und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Auf dem Hauptpodium in der Frankenhalle diskutiert der Kirchentagspräsident und ehemalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) mit Bundeswehr-Generalinspekteur Carsten Breuer, Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold (Grüne) und dem Friedensbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Friedrich Kramer, über Grenzverschiebungen in der Friedensethik.

Zum Start in den Tag lädt der Kirchentag traditionell zu Bibelarbeiten ein. In Nürnberg deuten unter anderen die mecklenburg-vorpommersche Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), der Schauspieler und Autor Samuel Koch, die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus sowie die Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) ausgesuchte Passagen aus der Heiligen Schrift. Auch der CDU-Vorsitzende Merz wird eine Bibelarbeit anleiten.

Musik und Feiern sind bei jedem Kirchentag zentrale Bestandteile, oft spontan in Bahnen und Bussen oder auf offener Straße. Für einen Teil der Besucher sind abendliche Großkonzerte ein Anziehungspunkt. In Nürnberg werden neben anderen das Bundesjazzorchester sowie Malik Harris auftreten. Am Samstagabend ist das Kyiv Symphony Orchestra zu Gast beim Kirchentag.

Die Funktionen der Kirchentags-App, die bereits beim 37. Kirchentag in Dortmund im Einsatz war, wurden für Nürnberg deutlich erweitert: Die App beinhaltet nun auch digitale Tickets, ist Programmheft, Stadtplan und Navigator in einem und ermöglicht eine digitale Beteiligung des Publikums.




Gastgeber

Zwei moderne Städte mit einer reichen Vergangenheit




Wahrzeichen der Stadt: die Nürnberger Burg über der Altstadt, links die Sebalduskirche.
epd-bild/Anestis Aslanidis
Albrecht Dürer und die Bundesagentur für Arbeit, Bratwurst und die Kaiserburg: dafür ist Nürnberg berühmt. Mit der Schwesterstadt Fürth ist es zusammengewachsen und teilt sich die Fußballbegeisterung und die erste Eisenbahn.

Nürnberg (epd). „Noch nie in der Geschichte der Stadt haben so viele Menschen hier gelebt“, sagt der Nürnberger Oberbürgermeister Marcus König (CSU). Derzeit seien es über 542.000. „Die Mischung aus Wohlfühlstadt und Innovationskraft, aus Menschlichkeit und moderner Urbanität macht Nürnberg aus“, preist der Oberbürgermeister seine Stadt gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd). Vom 7. bis 11. Juni findet der 38. Deutsche Evangelische Kirchentag in Nürnberg und Fürth statt.

1050 wird Nürnberg erstmals urkundlich erwähnt, 1219 zur freien Reichsstadt ernannt. 1525 führen die Stadtväter in Nürnberg die Reformation ein. „Nürnberg leuchtet in ganz Deutschland, wie eine Sonne unter Mond und Sternen“, soll Martin Luther einst über die Stadt gesagt haben. Für Nürnberg beginnt eine wahre Blütezeit. Handelswesen und Erfindergeist florieren, beflügelt von den neuen Ideen.

„Mit der protestantischen Lehre zieht auch ein soziales Bewusstsein und Wohlfahrtswesen in die Stadt ein, das es so noch nicht gegeben hat“, erläutert der evangelische Stadtdekan Jürgen Körnlein. Politisch schwand allerdings die Bedeutung der Stadt. Mit Bekenntnis und Weltsicht des katholischen Kaisers kamen die Nürnberger zwangsläufig in Konflikt.

Menschen aus 174 Nationen

Im 19. Jahrhundert wird die Stadt zum großen bayerischen Industriestandort. Von den technologischen Fortschritten, die von hier ausgingen, zeugt die erste Bahnfahrt 1835 zwischen Nürnberg und Fürth. Ende des 19. Jahrhunderts kam Siemens nach Nürnberg, noch heute einer der wichtigsten Arbeitgeber, zu denen heute aber auch die Bundesagentur für Arbeit, das Bundesamt für Migration oder die Firma Datev gezählt werden können.

Verknüpft ist der Name Nürnbergs aber auch mit den Schrecken des Nationalsozialismus. Der Umgang mit den Nazibauten am Reichsparteitagsgelände ist ein Dauerthema in der Stadt. Sie nimmt sich deshalb seit Jahrzehnten des Themas Menschenrechte an und vergibt den Menschenrechtspreis alle drei Jahre. Man sieht sich als Stadt des Friedens und will die Internationalität der Stadtgesellschaft stärker in die öffentliche Wahrnehmung rücken. Schließlich wohnen hier Menschen aus 174 verschiedenen Nationen. Der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund liegt bei etwas über 50 Prozent.

Obwohl die Stadt vielen noch als Inbegriff des protestantischen Bayerns gilt - seit langem ist das Verhältnis von Christen beider Konfessionen in etwa gleich, mit einem leichten Vorsprung der Protestanten. Bei der letzten Erhebung im vergangenen Jahr stellten beide Kirchen aber erstmals weniger als die Hälfte der Einwohnerzahl Nürnbergs. Katholiken und Protestanten teilen sich das Andenken an einen der Stadtpatrone: den Heiligen Sebaldus. Der sagenumwobene Priester und Wohltäter soll im 11. Jahrhundert gelebt haben und ist in der evangelischen Kirche St. Sebald in einem monumentalen, bronzenen Grabmonument von Peter Vischer bestattet.

Fließender Übergang nach Fürth

Hunderttausende Touristen kommen dort jährlich hin, sie wollen in Nürnberg aber auch die Lorenzkirche sehen, den weltberühmten Christkindlesmarkt erleben, Lebkuchen und Bratwürste zu sich nehmen.

Sollten sie am Hauptmarkt in die U-Bahn-Linie 1 Richtung Nordwesten steigen, passieren sie die Station „Stadtgrenze“ - und fragen sich, wo Nürnberg aufhört und die benachbarte 130.000-Einwohner-Stadt Fürth beginnt. Dies ist eines der Lieblingsbeispiele des Fürther Stadtdekans Jörg Sichelstiel, wenn er erklären will, wie nahe die beiden Städte doch zusammen liegen und eng miteinander verbunden sind.

Im Gegensatz zu Nürnberg, das eine klassische Bürgerstadt sei, habe Fürth durch die unterschiedlichen Einflüsse des Erzbistums Bamberg, der Markgrafen von Ansbach sowie der Reichsstadt Nürnberg schon früh eine andere gesellschaftliche Entwicklung genommen, erklärt Sichelstiel. Dies spiegele sich auch an den Bauwerken im Stadtbild wider.

Und hier siedelten sich viele der aus Nürnberg im Mittelalter vertriebenen Juden an. Der 1634 entstandene jüdische Friedhof ist einer der ältesten und größten in Deutschland. Bekanntester Fürther mit jüdischer Abstammung ist der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger, der Ende Mai seinen 100. Geburtstag feierte.

Von Jutta Olschewski und Timo Lechner (epd)


Das Stichwort: Deutscher Evangelischer Kirchentag




Mitbegründer des Kirchentags: Reinold von Thadden-Trieglaff (1891-1976)
© epd-bild / Deutscher Evangelischer Kirchentag

Berlin (epd). Der evangelische Kirchentag findet seit 74 Jahren an wechselnden Orten statt: Vom 7. bis 11. Juni ist der 38. Deutsche Evangelische Kirchentag in Nürnberg zu Gast. Er steht unter dem Leitwort „Jetzt ist die Zeit“, das auf einen Bibelvers aus dem Markus-Evangelium im Neuen Testament verweist. Etwa 100.000 Teilnehmer werden erwartet. Präsident des Nürnberger Kirchentages ist der ehemalige Bundesminister Thomas de Maizière (CDU), das zentrale Büro des Kirchentages in Fulda leitet Generalsekretärin Kristin Jahn.

Gegründet wurde der evangelische Kirchentag 1949 in Hannover als große Laienbewegung. Gemeinsam mit Freunden initiierte damals der Theologe Reinhold von Thadden-Trieglaff (1891-1976) die von der Amtskirche unabhängige Bewegung. Bis 1964 war er auch deren Präsident.

Bis 1954 fand der Kirchentag jährlich statt, seit 1957 wird er alle zwei Jahre gefeiert. Mit dem zeitlichen Abstand sollte ein jährlicher Wechsel mit dem Katholikentag ermöglicht werden. In Zusammenarbeit mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) gab es 2003 in Berlin erstmals einen Ökumenischen Kirchentag, 2010 folgte der zweite in München, 2021 der dritte in Frankfurt am Main.

Auch in der DDR fanden Kirchentage statt. Als sich das Verhältnis zwischen Kirche und SED-Staat in den 1970er Jahren entspannte, gab es weniger Einschränkungen für kirchliche Großveranstaltungen.

Von den Deutschen Evangelischen Kirchentagen gingen viele Anregungen und Initiativen aus. 1961 begann in Berlin der Dialog zwischen Juden und Christen, 1965 fand in Köln ein viel beachtetes evangelisch-katholisches Gespräch statt. Auch Diskussionen zur Überwindung der deutschen Teilung sowie zu Friedens- und Umweltthemen nahmen auf Kirchentagen ihren Ausgang.

Die Verschränkung von theologischen mit gesellschaftlichen Themen setzt sich auch in der Gegenwart fort. Fragen nach dem gesellschaftlichen Zusammenhalt, Demokratie, Gerechtigkeit, militärischer Aufrüstung, Frieden und Ökonomie gehören zur Debattenkultur auf Kirchentagen. Der Kirchentag will die jeweils wichtigsten gesellschaftlichen Themen der Gegenwart spiegeln.

Der Kirchentag 2019 in Dortmund stand im Zeichen der Seenotrettung im Mittelmeer. Der Kirchentag 2025 findet in Hannover statt.