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Soziologin: Sterben verrät viel über soziale Gerechtigkeit




Sonja Owusu Boakye
epd-bild/Louisa Windbrake

Bremen (epd). Das Sterben verrät nach Auffassung der Bremer Soziologin Sonja Owusu Boakye viel über soziale Gerechtigkeit. „Oft sind gerade diejenigen, die großen Unterstützungsbedarf haben, sozial benachteiligt“, sagte die Wissenschaftlerin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Owusu Boakye ist Referentin im Begleitprogramm der Messe „Leben und Tod“, die am 16. Mai beginnt und bis zum 17. Mai dauert. Deren Leitfrage lautet „Am Ende ... sind wir alle gleich?“

Es gebe viele Merkmale, die zu Benachteiligungen führen könnten, sagte Owusu Boakye. So würden etwa weiße Menschen gegenüber „People auf Colour“ bevorzugt, Männer gegenüber Frauen und queeren Personen sowie Menschen ohne Behinderungen gegenüber Menschen mit Behinderung. „Auch das Alter, ein niedriges Einkommen oder geringe Bildung sind Faktoren, die zu Benachteiligungen führen können. Menschen sind vielfältig, aber nicht alle werden als gleichwertig anerkannt.“

Kaum Geld für Sterbebegleitung und Beerdigung

Konkret hätten beispielsweise Menschen mit einer Behinderung oder einer schweren chronischen Erkrankung häufig besonderen Therapiebedarf und entsprechend hohe Gesundheitskosten. „Alleinerziehende wiederum haben nur ein Gehalt zur Verfügung - und meist nur ein niedriges.“ Problematisch werde es auch für Menschen, die ergänzende Therapien benötigten, die die Kranken- oder Pflegeversicherung nicht übernehmen.

Nach dem Aufwand für medizinische Versorgung und Sterbebegleitung kämen schließlich noch die Kosten für die Beerdigung. Die könnten schnell hoch werden, wenn eine Sozialbestattung nicht möglich oder auch nicht gewollt sei: „Für Menschen, die aufgrund sozialer Benachteiligung ohnehin schon genau rechnen müssen, bleibt am Ende des Monats kaum Geld übrig, um für den Sterbefall vorzusorgen oder die Pflege des Grabes Angehöriger zu bezahlen.“

Eine einfache Lösung, um Ungleichheiten und ausgrenzendem Verhalten zu begegnen, gebe es nicht, erklärte Owusu Boakye. „Zu verstehen und anzuerkennen, dass es Unterschiede gibt, wäre der erste wichtige Schritt“, sagte sie. „Der zweite Schritt wäre - und das tut durchaus weh - sich selbst und das eigene Handeln zu hinterfragen. Da reicht schon die schlichte Frage: Wie würde ich mich anstelle der Person fühlen, wenn so mit mir umgegangen würde? Letztlich geht es darum, sich für benachteiligte Menschen einzusetzen.“

Dieter Sell