

Gütersloh (epd). Viele junge Menschen ohne Ausbildungsplatz, die nach der Schule zunächst Betriebspraktika oder Qualifizierungskurse absolvieren, könnten nach Einschätzung von Fachleuten direkt eine Ausbildung beginnen. Jährlich beginnen fast 250.000 Jugendliche eine staatlich geförderte Maßnahme, weil sie keinen Ausbildungsplatz finden oder ihnen wichtige Kompetenzen fehlen, ergab eine am 15. Januar in Gütersloh veröffentlichte bundesweite Umfrage der Bertelsmann Stiftung. Zugleich blieben 70.000 Ausbildungsplätze unbesetzt.
Mehr als ein Viertel (26,3 Prozent) der jungen Leute im sogenannten Übergangssektor könnte demnach sofort eine Lehre starten, wenn es einen passenden Ausbildungsplatz für sie gebe. Weiteren 36,4 Prozent trauen die Fachkräfte dies ebenfalls zu, sofern sie dabei professionell begleitet werden. Ein ähnlich großer Anteil (37,3 Prozent) wäre aber trotz Begleitung nicht in der Lage, eine Ausbildung aufzunehmen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund forderte mehr Unterstützung für junge Menschen und Betriebe.
Durch die staatlich geförderten Maßnahmen sollen Jugendliche idealerweise binnen eines Jahres eine Lehre beginnen können, hieß es weiter. Tatsächlich gelinge jedoch nur etwa zwei Dritteln von ihnen innerhalb von drei Jahren dieser Übergang. Viele blieben auch langfristig ohne Ausbildungsabschluss - die Quote der Ungelernten zwischen 20 und 34 Jahren sei auf knapp 20 Prozent gestiegen, so die Bertelsmann Stiftung. Dies seien rund drei Millionen Menschen.
83 Prozent der Fachkräfte wünschen sich mehr Zeit für die direkte Arbeit mit den jungen Männern und Frauen. Als Gründe, die einen direkten Übergang von der Schule in die Lehre erschweren, nannten sie vor allem fehlende personale und soziale Kompetenzen wie Verantwortungsbewusstsein, Stressresistenz, Pünktlichkeit oder Höflichkeit sowie mangelnde Motivation, Frust und Überforderung. Als weniger bedeutsam stuften die Fachkräfte zum Beispiel fehlende Abschlüsse und Praxiserfahrungen sowie unzureichende Deutschkenntnisse ein.
Der Experte der Bertelsmann Stiftung für berufliche Bildung, Clemens Wieland, sagte, für rund ein Drittel der Jugendlichen im Übergangssektor seien dessen Angebote tatsächlich sinnvoll. Die große Mehrheit aber könne direkt in die Ausbildung gehen, anstatt eine staatlich geförderte Maßnahme zu absolvieren. Mit Blick auf den Fachkräftemangel, aber auch auf die Jugendlichen selbst, solle dieses Potenzial „unbedingt genutzt werden“.
Auch der Bildungsexperte der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, Andreas Knoke-Wentorf, verlangte, mehr jungen Leuten die Möglichkeit zu einer direkten Ausbildungsaufnahme zu geben. Dadurch könnten die Fachkräfte die Jugendlichen mit dringendem Unterstützungsbedarf individuell fördern.
„Betriebe sollten auch Jugendlichen mit schwächeren Schulnoten die Chance auf einen Ausbildungsplatz geben“, forderte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. Viele, die eine Ausbildung beginnen könnten, landeten im Übergangsbereich, wo sie keinen Berufsabschluss erwerben können. „So werden wir den Fachkräftemangel nicht bewältigen“, kritisierte sie. Nötig sei mehr Unterstützung für junge Menschen und Betriebe, etwa durch die Assistierte Ausbildung.
Für ihre Studie befragte die Bertelsmann-Stiftung zusammen mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung bundesweit 1.540 Fachkräfte, die Jugendliche im Übergangssektor von der Schule zur Ausbildung begleiten. Die Online-Befragung fand den Angaben zufolge auf freiwilliger und anonymer Basis im Oktober und November 2024 statt.