

Eichstätt (epd). Professor Bernd Halfar spricht von „gigantischen Beträgen“, die nötig wären, um rund 100.000 Gebäude, die soziale Träger bundesweit nutzen, bis 2040 klimaneutral zu machen. Doch dafür fehlt das Geld. Für alle Sozialimmobilien inklusive der Krankenhäuser bräuchte man mindestens 150 Milliarden Euro. „Der Staat ist nicht in der Lage, das zu finanzieren, schon gar nicht in Zeiten der wirtschaftlichen Schwäche.“ Die Fragen stellte Dirk Baas.
epd sozial: Herr Professor Halfar, bundesweit nutzt die Sozialbranche über 100.000 Gebäude, die dringend saniert werden müssten, um die Ziele der Klimatransformation zu erreichen. Gemeinnützige Träger verfügen in der Regel kaum über finanzielle Rücklagen. Und so hoffen viele auf Gelder vom Staat. Das sei aber der falsche Weg, sagen Sie. Warum?
Bernd Halfar: In der Tat ist es so, dass für energetische Sanierungen, also für Wärmedämmung, neue Heizungen und Fotovoltaik-Anlagen, bei nahe allen gemeinnützigen Trägern kein Geld vorhanden ist. Die einfache Schlussfolgerung für die Träger ist dann die, nach dem Staat zu rufen. Der müsse diese Modernisierungen mit Zuschüssen erleichtern. Das ist aber naiv. Das wird schon deutlich daran, wie viel Geld benötigt würde, um diese Sanierungen zu finanzieren. Das sind gigantische Summen. Für alle Sozialimmobilien inklusive der Krankenhäuser bräuchte man mindestens 150 Milliarden Euro. Der Staat ist nicht in der Lage, das zu finanzieren, schon gar nicht in Zeiten der wirtschaftlichen Schwäche. Es wäre gut, das zur Kenntnis zu nehmen und andere Finanzierungsmodelle ins Auge zu fassen.
epd: Bevor wir diese Alternativen betrachten, lohnt ein Blick auf die Finanzierung der Sozialbranche, die ja ein Grund für die fehlende Potenz zu Investitionen ist ...
Halfar: Wir haben ein Deutschland ein duales Finanzierungssystem, sowohl für den Krankenhausbereich als auch für die Pflege, die Behindertenhilfe oder die Jugendhilfe. Diejenige Gebietskörperschaft oder Sozialkasse, die für den Bau und Investitionen in Gebäude zuständig ist, ist nicht identisch mit der Institution, die den laufenden Betrieb trägt. Das heißt, Investitionen rechnen sich nicht für die Geldgeber, denn die erzielten Einsparungen können sie nicht für sich verbuchen. Das ist der eine Aspekt. Dazu kommt, dass die übergroße Zahl Trägern in der Sozialbranche gemeinnützig ist, also folglich keine Rücklagen bilden kann, um daraus energetische Sanierungen bezahlen kann.
epd: Können Sie etwas klarer machen, was das für Folgen hat?
Halfar: In der Behindertenhilfe zum Beispiel in Bayern ist es so, dass der Betrieb über die Bezirke bezahlt wird, in Hessen über den Landeswohlfahrtsverband, in Nordrhein-Westfalen über die Landschaftsverbände. Aber die Investitionskosten, etwa für die Kliniken, Wohnstätten für Menschen mit Behinderung und Pflegeheime, kommen vom Land. Der Träger bekommt, zumindest in der Theorie, alle Kosten im laufenden Betrieb für Heizung und Strom erstattet, indem er die Ausgaben nur an den zuständigen Kostenträger bei der Kommune, dem Landkreis oder den Sozialkassen weiterreicht. Und hier liegt die Crux. Der Träger, ganz gleich ob Diakonie, Caritas oder AWO, hat kaufmännisch gesehen gar kein Interesse daran, ins Energiesparen zu investieren und so die Kosten zu senken und die Umwelt zu entlasten. Und dazu kommt, wie schon beschrieben, dass er gar keine Rücklagen hat, um zu modernisieren.
epd: Wie sieht für Sie ein Weg der Lösung dieses Problems aus?
Halfar: Meine schlichte Meinung: Wir können das Problem nur lösen mit privatem Kapital. Ich denke da etwa an Investments - private Fonds für Infrastruktur. So ließe sich in kürzester Zeit jeder Milliardenbetrag generieren, der für energetische Sanierungen benötigt wird. Ich denke da zum Beispiel an Versorgungswerke, an Family Offices mit gesellschaftlicher Orientierung, aber auch an kirchliche Vermögensverwaltungen. Das Kapital ist da, in Deutschland wie auch im Ausland.
epd: Wie genau kann das funktionieren, etwa bei der Stromerzeugung?
Halfar: Die Investitionen könnten so aussehen, dass etwa Dachflächen mit Fotovoltaik-Anlagen ausgestattet und/oder Energiespeicher aufgebaut werden. Für diese Investitionen bekommen die Geldgeber eine Rendite. Die bekommen sie jedoch nur dann, wenn der soziale Träger, oder Träger gemeinsam, als Energiegenossenschaft, oder über eine Kommanditgesellschaft, mit dem Investor zusammen eine Contracting-Firma gründen, also einen Energieversorger, der den selbsterzeugten Strom an den Sozialträger verkauft. Und zwar zu dem Preis, den der Kostenträger im laufenden Betrieb erstattet.
epd: Ist das zu vergleichen mit einem Pachtmodell?
Halfar: Nein, das muss man unterscheiden von reinen Pachtmodellen, bei denen Fotovoltaik- Anlagen auf Privathäuser kommen. In der Sozialbranche ist das nicht attraktiv, weil der Träger finanziell davon nichts hat. Er hat dann zwar billigeren Strom und eine kleine Pachteinnahme, aber die reduzierten Strompreise leitet er auch weiter an seinen Kostenträger. Die soziale Einrichtung braucht zusammen mit dem Investor eine Kick-back-Lösung, also eine Rückvergütung. Und die liegt in der Differenz zwischen dem Strompreis, den der Kostenträger übernimmt, und dem, der tatsächlich anfällt.
epd: Das funktioniert aber nur im Bereich Stromerzeugung ...
Halfar: Nein. Denkbar ist es auch bei der Heizungsumstellung. Eine Wärmepumpe könnte auch einem Investor gehören. Das Gleiche gilt für Energiespeicher.
epd: Kostenträger sind nur für den Betrieb der Einrichtungen zuständig, Investitionen sind ihnen rechtlich sogar untersagt. Müsste man hier im Sozialrecht nicht Korrekturen vornehmen?
Halfar: Das ist der Knackpunkt. Wenn die Kostenträger über ihren Schatten springen dürften, könnten alle profitieren. Geld, das jetzt investiert würde in energetische Erneuerungen, wirft in sieben, acht Jahren eine gute Rendite ab. Das öffentliche Haushaltsrecht und die Sozialgesetzbücher haben Schwierigkeiten, das Wirtschaftlichkeitsprinzip aus der kurzfristigen Perspektive der Betriebskosten in langfristige Investitionserträge zu übersetzen. Aber selbst, wenn das klappen würde, müssten die Kostenträger, also etwa Jugendämter oder Sozialverwaltungen, mit den Trägern darüber sprechen dürfen, welche Investitionen bei welchen Gebäuden sinnvoll sind und dann auch ermöglicht werden. Das kann ich mir aber nicht wirklich vorstellen, schon alleine, weil es an fachlicher Kompetenz fehlt. Dann müsste ja das kleinste Jugendamt in der Lage sein, bei jedem Gebäude, das saniert werden soll, zu entscheiden, was technisch vernünftig, wirtschaftlich sinnvoll und baulich möglich ist.
epd: Wie kann es trotzdem gehen, zu modernisieren?
Halfar: Es wäre einfacher, die Entscheidung, ob investiert wird oder nicht, ohne die Kostenträger zu treffen, und das Risiko dieser Investition trägt der private Investor. Der hat Fachleute, der kalkuliert die Projekte und rechnet sie durch und mittelfristig ist dann der Kostenträger der Nutznießer, wenn die Strom- oder Energiekosten spürbar sinken. Man muss, und das kann ich nur wiederholen, unbedingt andere Finanzierungsmodelle finden, wenn Deutschland bis 2040 klimaneutral sein muss. Genaugenommen müssten die Träger schon bald mit der Bauplanung anfangen, damit sie bauen können, wenn die Finanzierung irgendwann steht.
epd: Ihren Worten entnehme ich, dass die Bedingungen für die Träger auch sehr unterschiedlich sind. Große Träger, auch Stiftungen bei Diakonie oder Caritas, haben bessere Möglichkeiten, weil es für die Kooperation mit Investoren lohnend ist, viele Gebäude und Flächen nutzen zu können. Aber das hilft ja einem kleinen Verein mit nur zwei Pflegeeinrichtungen nicht.
Halfar: Ja, das ist so. Aber man muss auch wissen, dass es fünf, sechs verschiedene Geschäftsmodelle zu Kooperationen gibt. Aber nicht alle sind für alle Ziele geeignet. Es wäre Aufgabe etwa der Landesdiakonie oder des Diözesancaritasverbandes, zu überlegen und fachliche Hilfe anzubieten, welches Modell für das kleine Pflegeheim im Vogelsberg am besten taugt. Ein großer Gesundheitskonzern wie Agaplesion in Frankfurt am Main braucht ein anderes Geschäftsmodell. Und, wenn man bedenkt, dass wir ja schon zu viel grünen Strom haben, der aus der Fotovoltaik und den Windrädern kommt, ist es umso wichtiger, vermehrt in große Batteriespeicher zu investieren. Das sollte für einen mittleren oder auch größeren Träger unbedingt eine Überlegung wert sein. Im Prinzip wird das Sozialunternehmen dann Energieversorger. Von der geschäftlichen Denke her wäre das die richtige Konsequenz, auch, weil die Renditen sicher sind.