sozial-Branche

Armut

Interview

Vereinsvorsitzender: Die Spendenbereitschaft nimmt ab




Franz Lindl, Vorsitzender des Vereins "Strohhalm Regensburg" vor dem Gebaeude in Regensburg
epd-bild/Stefanie Unbehauen
Nach dem Kältetod eines Obdachlosen in Bayern vor fast 30 Jahren fand im Freistaat ein Umdenken statt: Die Landesregierung ordnete die Einrichtung von Wärmestuben an. Daraus ist in Regensburg die Einrichtung "Strohhalm" hervorgegangen. Längst stehen ihre Angebote nicht nur Obdachlosen, sondern auch armen Rentnerinnen und Rentnern sowie anderen Bedürftigen offen.

Regensburg (epd). Die Einrichtung „Strohhalm“ ist eine Begegnungsstätte für Obdachlose und Bedürftige. Der Vorsitzende Franz Lindl erklärt im Interview mit epd sozial, wie der Verein in den 1990er Jahren entstand, wie er sich weiterentwickelt hat und vor welchen Herausforderungen er derzeit steht. Mit ihm sprach Stefanie Unbehauen.

epd sozial: Herr Lindl, die Einrichtung „Strohhalm“ wurde vor über 20 Jahren gegründet. Wie hat sich der Verein seither verändert?

Franz Lindl: Es fing an mit dem Erfrierungstod eines Obdachlosen Ende der 1990er Jahre. Nach diesem schrecklichen Vorfall hat das bayerische Sozialministerium allen Städten in Bayern die Anordnung gegeben, Wärmestuben für Obdachlose einzurichten. In Regensburg wurden daraufhin in drei Gasthäusern Aufwärmmöglichkeiten für Wohnungslose geschaffen. Das stellte sich aber schnell als schlechte Idee heraus.

epd: Wieso?

Lindl: Die Nähe zum Alkohol war einfach zu groß. Das war kontraproduktiv und hat einige der Obdachlosen dazu verleitet, noch mehr zu trinken. Deshalb wurde der Stadtrat Josef Troidl, unser späterer Gründer, beauftragt, zusammen mit dem Bayerischen Roten Kreuz eine Wärmestube einzurichten und zu betreuen. Schon nach kurzer Zeit hatte diese Einrichtung in der kalten Jahreszeit um die 30 Stammgäste. Im Jahr 2001 bekam der Verein den Namen „Strohhalm“, 2005 wurde ein Gebäude kernsaniert und zur Begegnungsstätte umgebaut. Etwa hundert Meter weiter haben wir noch eine Kleiderausgabe, wo Bedürftige kostenlos Sachen erhalten können.

epd: Wie finanziert sich „Strohhalm“? Erhalten Sie Spenden?

Lindl: Ja, wir finanzieren uns zu einem Großteil aus Spenden, aber leider nimmt die Spendenbereitschaft immer weiter ab. Wir müssen permanent die Werbetrommel rühren. Aber auch die Gäste selbst leisten ihren Beitrag. Sie zahlen pro Mittagessen zwei Euro. Dafür bekommen sie Suppe, Hauptgericht und Nachtisch. Außerdem geben wir ihnen am Ende einen Beutel mit Brot, Käse, Wurst und Obst mit, damit auch das Abendbrot abgesichert ist. Bis März dieses Jahres lag der Preis dafür über 20 Jahre lang konstant bei einem Euro. Aber aufgrund der gestiegenen Preise mussten wir nun erhöhen. Zudem ist jeden Montag „free lunch day“, da bekommen alle Gäste ihr Mittagessen kostenlos.

epd: Wünschen Sie sich mehr Unterstützung von der Politik für Armutsbetroffene und wie könnten Ihrer Meinung nach geeignete Maßnahmen aussehen?

Lindl: Der dringend benötigte Wohnraum in Deutschland und auch hier in Regensburg muss durch die Mobilisierung von möglichst viel Privatkapital erfolgen. Und da kann Politik sehr viel ohne Staatsverschuldung ermöglichen. Bauvorschriften und Standards, speziell für günstigen Wohnraum, könnten drastisch gesenkt und Zinsvergünstigungen für energetische Maßnahmen erhöht werden. Damit würde das Problem langfristig die richtige Lösung bekommen.

epd: Sie haben vor Ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit beim „Strohhalm“ rund 40 Jahre in einer Bank gearbeitet. Gibt es Parallelen zu der Arbeit hier?

Lindl: Durchaus, vor allem, was das Organisatorische angeht. Man muss Strukturen schaffen, Ehrenamtliche gewinnen, Verwaltungsarbeiten erledigen, Themen mit unseren Mietern besprechen, Versicherungsfragen für Ehrenamtliche klären, sich um unsere Gebäude und unseren VW-Bus kümmern, Spender akquirieren und vieles mehr. Was anders ist, ist die Tatsache, dass all unsere Ehrenamtlichen freiwillig hier sind, ihre Freizeit in wertvolle Arbeit am Nächsten investieren und sofort eine positive Resonanz dafür bekommen.

epd: Wo sehen Sie „Strohhalm“ in drei Jahren?

Lindl: Meine Vision ist, dass wir rund ein Dutzend weiterer Mitarbeiter finden, damit wir das Nachmittagsprogramm wieder gestalten können. Wir wollen Kaffee und Kuchen anbieten, die Leute sollen Karten und Brettspiele spielen können und sich unterhalten. Denn besonders der soziale Aspekt ist wichtig. Viele Menschen sind einsam. Hier können sie sich unterhalten und Anschluss finden - und um Hilfe fragen, wenn sie welche benötigen. Letzte Woche war jemand hier, der sich keine Rasierklingen leisten konnte. Als wir ihm welche geschenkt haben, haben seine Augen richtig geleuchtet. Letztendlich sind es diese kleinen Momente, die einem bei der Arbeit Freude bereiten.



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