Berlin (epd). Um auf Bundesebene einen Rahmen für bundesweite Qualitätsstandards in der Kitabetreuung zu setzen, braucht es aus Sicht des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesfamilienministerium, Sven Lehmann (Grüne), keine Grundgesetzänderung. Das sagte der Politiker am 7. Oktober in einer Sitzung des Petitionsausschusses des Bundestages.
„Der Bund kann über das SGB VIII den Rahmen setzen. Die Konkretisierung dieser Vorgaben obliegt dann aber den Ländern und Kommunen“, so Lehmann. Mit dem Kita-Qualitätsgesetz würden die weiteren Schritte zu dem benötigten Qualitätsstandardgesetz vorbereitet: „Dann aber selbstverständlich in Verbindung mit den notwendigen Bundesmitteln.“
Unterdessen liegt dem Bundestag die Forderung der Länder vor, Korrekturen am Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung vorzunehmen. In seiner Stellungnahme begrüßt der Bundesrat zwar das Ziel, „die Qualität in der frühkindlichen Bildung im Sinne der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet anzugleichen“. Das sei elementar für die Gesetzgebungskompetenz des Bundes und sei auch von den Ländern mit Blick auf ein langfristig angestrebtes Qualitätsentwicklungsgesetz unterstützt worden.
Kritik gibt es an dem Plan, bestimmte „identische oder ähnliche Maßnahmen in einem Land über die Bundesmittelfinanzierung als wertvolle Maßnahmen zur Kitaqualität“ anzuerkennen, andere jedoch nicht. So würden dann etwa in Nordrhein-Westfalen dadurch ursprünglich bundesweit finanzierte „SprachKitas“ keine zulässigen Maßnahmen der Qualitätsverbesserung darstellen, während das in anderen Ländern durchaus der Fall wäre. „Diese materielle Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte und Maßnahmen scheint hinsichtlich des angestrebten Ziels gleicher Standards im gesamten Bundesgebiet inkonsistent und sollte daher überdacht werden“, rügt der Bundesrat, der sich in seiner Stellungnahme noch zu vielen weiteren Aspekten des Gesetzentwurfes geäußert hat.
Hintergrund der Sitzung im Petitionsausschuss war eine öffentliche Petition, in der die Stärkung von Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern in Deutschland durch die Einführung bundesweiter Qualitätsstandards gefordert wird (ID 167142). Die Eingabe wurde auf dem Petitionsportal rund 25.000 Mal unterzeichnet. Gut 190.000 Unterstützerinnen und Unterstützer hat die Petition zudem auf dem analogen Wege mittels Unterschriftenlisten gefunden, hieß es im Ausschuss.
Die Petentin Katja Ross, als Erzieherin in Rostock tätig, erläuterte vor den Abgeordneten die vier konkreten Forderungen der Eingabe. Es gehe um bessere Mindestpersonalstandards, einen besseren Ausbau der Kitaplätze, eine bessere Fach- und Praxisberatung und mindestens eine Profilfachkraftstelle pro Kita, sagte sie. Mittelbare pädagogische Arbeit, Krankheits-, Fortbildungs- und Urlaubstage, so betonte Ross mit Blick auf die Mindestpersonalstandards, müssten in der Personalplanung stärker berücksichtigt werden. Die hierfür zu berücksichtigende Arbeitszeit der pädagogischen Fachkräfte müsse auf wissenschaftlicher Grundlage festgesetzt werden. Zusätzlich müssten Kitas „in herausfordernden Lagen“ durch höhere Standards besonders unterstützt werden, forderte Ross.
Rahel Dreyer, Professorin für Pädagogik und Entwicklungspsychologie der ersten Lebensjahre an der Alice Salomon-Hochschule Berlin, verwies auf wissenschaftlich empfohlene Personalschlüssel in Kitas. „Die liegen bei unter-dreijährigen Kindern bei 1:3 und bei älteren Kindern bei 1:7,5“, sagte die Expertin, die die Petentin bei der Sitzung begleitete. In einigen Bundesländern sei man von diesen Schlüsseln, die zudem die Ausfallzeiten gar nicht einplanten, „weit entfernt“. Wenn aber die Personalschlüssel teils bei 1:17 im Krippenbereich lägen, „ist das pädagogisch nicht mehr zu verantworten“, sagte Dreyer.
Zur Fachkräftesituation im Kitabereich sagte Ross, es werde im Grunde ausreichend ausgebildet. „Die Frage ist, warum kommen diese Fachkräfte in der Praxis nicht an.“ Viele, so Ross, hätten schon während ihrer Ausbildung oder beim Studium die Erfahrung gemacht, „dass das katastrophale Bedingungen sind, unter denen sie nicht arbeiten wollen“.
Dreyer forderte die Politik auf, mehr Geld in den Bereich Fachkräftesicherung und -bindung zu investieren. Etwa ein Viertel der ausgebildeten Erzieherinnen und Erzieher würden in den ersten Jahren schon wieder das Berufsfeld verlassen. Als Gründe dafür würden sie unter anderem anführen, dass sie ihrem eigenen Anspruch an die Bildungsarbeit aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen nicht gerecht werden könnten und es auch kaum Karrieremöglichkeiten innerhalb des Systems gebe, sagte die Erziehungswissenschaftlerin.
Die Situation rund um die Kitabetreuung stehe und falle mit den Fachkräften, bestätigte auch Staatssekretär Lehmann. Daher habe sein Ministerium im Mai auch die Gesamtstrategie zur Fachkräftegewinnung vorgestellt. Dabei gehe es um Schulgeldbefreiung und Fragen der Vergütung, um die Ausbildung attraktiver zu machen. Es gehe aber auch um verbesserte Umschulungsmöglichkeiten.
Als dritten Punkt führte Lehmann die Anerkennungsverfahren für Menschen mit ausländischen Berufsabschlüssen, die vereinfacht und auch berufsbegleitend ermöglicht werden müssten. „Das ist eigentlich der entscheidende Punkt“, machte er deutlich.