Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland: „Jetzt rächt sich, dass die Bundesregierung eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung auf die lange Bank geschoben hat. Entgegen den Versprechungen im Koalitionsvertrag fehlen allein 5,9 Milliarden Euro, um die Kosten der Pandemie zu decken, die der Bund bis heute nicht erstattet hat. Auch die im Koalitionsvertrag vereinbarte Übernahme der Rentenbeiträge für pflegende Angehörige hat die Bundesregierung bisher nicht bereitgestellt. Das Defizit kann nicht allein aus Beiträgen gedeckt werden, sondern muss aus Bundesmitteln finanziert werden. Wir sprechen uns dafür aus, die Einnahmeseite der Pflegeversicherung auf mehrere Schultern zu verteilen: Die Beitragsbemessungsgrenze sollte auf das Niveau der Rentenversicherung angehoben werden. Außerdem müssen bei den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern nicht nur Löhne und Gehälter, sondern auch andere Einkommensarten wie Kapital- und Mieterträge bei der Beitragsbemessung berücksichtigt werden.“
Wilfried Wesemann, Vorstandsvorsitzender des Deutschen evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege (DEVAP): „Zugesagte Bundesmittel etwa für versicherungsfremde Leistungen in Höhe von 5,9 Milliarden Euro während der Corona-Pandemie wurden bislang nicht zurückgezahlt. Insgesamt ist ein höherer Steuerzuschuss notwendig, um das System zu stabilisieren. Auch die Länder müssen mehr Verantwortung übernehmen, etwa durch die Übernahme von Investitionskosten. Zudem müssten Ausbildungskosten endlich aus den Eigenanteilen der Pflegebedürftigen herausgerechnet werden und die Kosten für die medizinische Behandlungspflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen durch die Krankenkassen übernommen werden.“
Thomas Knieling, Bundesgeschäftsführer VDAB: „Dass die gesetzliche Pflegeversicherung sich kurz vor dem finanziellen Kollaps befindet, ist leider keine Überraschung. Der Ampel-Koalition ist die Problematik bereits zu Beginn ihres Amtsantritts bewusst gewesen und dennoch bestand die Lösung immer nur darin, Finanzlöcher kurzfristig zu stopfen, anstatt eine nachhaltige Strukturreform auf den Weg zu bringen. Es ist an der Zeit, keine weitergehenden Leistungsversprechen mehr abzugeben, sondern die Soziale Pflegeversicherung nachhaltig zu konstruieren und zu finanzieren.“
Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des SoVD: „Wir brauchen eine Pflegevollversicherung, die alle Kosten abdeckt und die Pflegebedürftigen spürbar entlastet. In diese Bürgerversicherung müssen alle einzahlen - auch Privatversicherte wie Selbstständige und Verbeamtete. Und wir sagen: Bei der Erhebung der Beiträge muss die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und damit auch weitere Kapitaleinkünfte herangezogen werden, wie Einnahmen aus Vermietung, Verpachtung sowie Kapitaleinkommen. Der Bund muss endlich seiner Verantwortung bei der Refinanzierung der milliardenschweren versicherungsfremden Leistungen gerecht werden und die zur Pandemiebewältigung zweckentfremdeten Beitragsmittel zurückzahlen. Noch immer sind hier rund sechs Milliarden Euro nicht refinanziert.“
Verena Bentele, Präsidentin des VdK: „Die Pflegeversicherung muss umfassend reformiert werden, um immer weiter steigende Beiträge zu verhindern. Die Politik muss dafür sorgen, dass endlich alle Bürgerinnen und Bürger, also auch Beamtinnen und Beamte, Abgeordnete und Selbstständige in die Pflegeversicherung einzahlen. Dabei müssen alle Einkunftsarten in die Beitragsrechnung einbezogen werden. Versicherungsfremde Leistungen müssen durch Steuereinnahmen getragen werden und dürfen nicht die Pflegekasse belasten. Außerdem ist es dringend nötig, die Beitragsbemessungsgrenze, ebenso wie die der Krankenversicherung, auf die Höhe der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung anzuheben.“
Kathrin Sonnenholzner, Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt: „Es kann nicht sein, dass die Beitragszahlenden jetzt den pflegepolitischen Stillstand der letzten Jahre ausbaden müssen. Es gibt andere Lösungen als Beitragserhöhungen. Ohne eine echte Reform wird es die Pflegeversicherung nicht aus der Krise schaffen: Wir brauchen eine Deckelung der Kosten für Pflegebedürftige und vor allem die BürgerInnenversicherung, die alle Berufsgruppen und jede Einkommensart einbezieht. Zusätzlich dürfen versicherungsfremde Leistungen grundsätzlich nicht mehr über die Pflegeversicherung finanziert werden. Ein erster Schritt dahin - und eine schnelle finanzielle Entlastung - wäre die schnelle Rückzahlung der Pandemiekosten von 5,5 Milliarden Euro aus Steuermitteln.“
Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied: „Die Ampel muss jetzt die Pflege für alle sichern. Die angespannte Situation der Pflegeversicherung lässt kein weiteres Herumeiern mehr zu. Der finanzielle Notstand in der Pflegeversicherung kommt nicht überraschend, sondern hat sich seit langem abgezeichnet. Wenn die Bundesregierung jetzt nicht den Mut zu einer echten Reform aufbringt, ist im neuen Jahr schon nicht mehr geklärt, wer sich um die Großmutter, den Großvater oder die kranke Angehörige kümmern kann. Endlich ist eine Pflegeversicherung für alle einzuführen, die alle Pflege-Kosten übernimmt. Der wichtigste Schritt ist, die Eigenanteile in der Pflege so zu deckeln, dass Pflege bezahlbar bleibt.“
Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA): „Die Politik der klebrigen Finger auf Kosten der Beitragszahler muss ein Ende haben. Ohne eine grundlegende und nachhaltige Strukturreform droht die Belastung der Arbeitskosten durch Pflegeversicherungsbeiträge in den kommenden Jahren erheblich weiter zu steigen. Laut OECD steht Deutschland in Europa auf Platz 2 bei der Belastung des Faktors Arbeit. Die Pflegekassen müssen die Mittel zurückerhalten, die sie aufgrund von gesetzlichen Vorgaben pandemiebedingt zusätzlich aufgewendet haben.“
Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes: „Wir brauchen jetzt umgehend eine Finanzreform, die die Liquidität der sozialen Pflegeversicherung kurzfristig sicherstellt und einer Anhebung des Beitragssatzes vorbeugt. Dazu gehört in erster Linie der immer noch ausstehende Ausgleich von Pandemie-Kosten in Höhe von 5,3 Milliarden Euro, die die Pflegeversicherung getragen hat. Außerdem braucht es einen Steuerzuschuss für versicherungsfremde Leistungen wie zum Beispiel die Rentenversicherungsbeiträge von pflegenden Angehörigen, was auch nochmal fast vier Milliarden Euro brächte. Bleibt die Bundesregierung weiter tatenlos, wird eine neuerliche Zusatzbelastung der Beitragszahlenden in Höhe von 0,2 bis 0,3 Beitragssatzpunkten unvermeidlich.“
Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes: „Zwei Sofortmaßnahmen zur kurzfristigen Stabilisierung der Pflegeversicherung liegen auf der Hand und sollten umgehend umgesetzt werden, um eine Beitragssatzanhebung abzuwenden: Die Pflegeversicherung sitzt immer noch auf rund 5,3 Milliarden Euro Sonderausgaben aus Coronazeiten, mit denen der Staat sie allein gelassen hat. Diese Mehrbelastung muss durch den Bund ausgeglichen werden. Außerdem wird die Pflege durch die Übernahme der Rentenbeiträge für pflegende Angehörige massiv belastet. In diesem Jahr schon mit rund vier Milliarden Euro, in 2025 mit 4,5 Milliarden Euro und jährlich weiter ansteigend. Auch dies ist keine Aufgabe, die aus Beitragsmitteln, sondern eine staatliche Aufgabe, die aus Bundesmitteln zu finanzieren ist. Mit diesen rund neun Milliarden Euro müssten wir nicht schon wieder über Beitragserhöhungen sprechen und es gäbe ein Zeitfenster, um die Pflegeversicherung solide zu reformieren.“