

Münster (epd). Für unfruchtbare Paare ist die Auslandsadoption eines Kinds nicht mit einer Heilbehandlung vergleichbar. Die Adoptionskosten könnten daher nicht als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd geltend gemacht werden, entschied das Finanzgericht Münster in einem am 16. Juli bekannt gegebenen Urteil. Denn die Annahme eines Kinds stelle keine Zwangslage dar, sondern beruhe auf einer freiwilligen Entscheidung, so die Münsteraner Richter, die allerdings die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) in München zuließen.
Im konkreten Fall ist die Klägerin an einer Endometriose, einer chronisch verlaufenden gutartigen Wucherung an der Gebärmutter, erkrankt. Bei dem klagenden Ehemann ist die Befruchtungsfähigkeit der Spermien eingeschränkt. Da sie ihren Kinderwunsch nicht auf natürliche Weise erfüllen konnten, versuchten sie es mit einer künstlichen Befruchtung - ohne Erfolg.
Daraufhin adoptierte das Paar im Jahr 2022 zwei im Ausland geborene Mädchen im Alter von vier und fünf Jahren. Für die Adoption fielen zahlreiche Kosten an, etwa für die Versorgung und Betreuung der Kinder im Kinderheim, die medizinische Versorgung sowie für Anwalts- und Behördenkosten. Die im Jahr 2021 angefallenen Kosten machte das Paar in seiner Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd geltend.
Das Finanzamt lehnte die Steuerminderung ab. Außergewöhnliche Belastungen müssten „zwangsläufig“ entstehen, begründete es. Der BFH habe bereits am 10. März 2015 entschieden, dass eine Auslandsadoption freiwillig erfolge und der privaten Lebensführung zuzuordnen sei. Auch bei unfruchtbaren Paaren seien die Adoptionskosten keine absetzbaren „Krankheitskosten“, so damals die obersten Finanzrichter.
Das klagende Paar verwies auf eine inzwischen geänderte Rechtslage. So sei nicht nur das Adoptionshilfegesetz ab April 2021 in Kraft getreten, sondern auch der BFH habe am 5. Oktober 2017 anerkannt, dass der unerfüllte Kinderwunsch eine künstliche Befruchtung rechtfertige und zu einer außergewöhnlichen Belastung führe. Warum dann die künstliche Befruchtung als zwangsläufig anzusehen sei und deren Kosten abgesetzt werden könnten, eine Adoption nach erfolgloser Kinderwunschbehandlung aber nicht, sei widersprüchlich.
Das Finanzgericht wies die Klage ab. Zwar könnten Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Auch könne die Empfängnisunfähigkeit einer Frau als Krankheit angesehen werden, so dass Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung als Behandlung bei Sterilität anerkannt würden. Dies sei jedoch nicht mit den Kosten einer Auslandsadoption vergleichbar. Denn die Adoption sei nicht medizinisch notwendig. „Der Entschluss zur Adoption beruht nicht auf einer Zwangslage, sondern auf der freiwilligen Entscheidung, ein Kind anzunehmen“, so das Finanzgericht. Eine Gleichstellung der Adoption mit einer medizinisch indizierten Heilbehandlung würde das Kind zum bloßen Objekt herabwürdigen. Dies sei mit der Unantastbarkeit der Menschenwürde nicht vereinbar.
Nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Nordrhein-Westfalen vom 3. März 2020 kann auch der Abbruch eines laufenden Adoptionsverfahrens mit hohen Kosten verbunden sein. Dies gilt dann, wenn ein Paar ein Kind im Rahmen der sogenannten Adoptionspflegezeit aufgenommen hat. Diese folgt nach der Eignungsprüfung der Eltern. In der bis zu einem Jahr dauernden Adoptionspflegezeit soll das Eltern-Kind-Verhältnis wachsen. Verläuft diese Zeit gut, kann beim Familiengericht die Adoption beantragt werden.
Im Streitfall hatte ein Ehepaar ein fünfjähriges Mädchen aus einem thailändischen Kinderheim für sechs Monate zur Adoptionspflege aufgenommen. Bereits bei der Übergabe des Kinds in Thailand war es zu „widerspenstigem Verhalten“ gekommen. In Deutschland war das Paar dann gänzlich überfordert. Es war zur Adoption nicht mehr bereit. Aus Kindswohlgründen wurde das Mädchen daraufhin in einer deutschen Einrichtung untergebracht. Die Kosten für den Lebensunterhalt und die Unterbringung des Kinds in Höhe von über 38.000 Euro sollte nun das Paar tragen.
Zu Recht, befand das OVG. Das Paar habe die vorgeschriebene, vom Jugendamt zu beurkundende Erklärung abgegeben, dass es bei einem Scheitern der Adoption während der Zeit der Adoptionspflege für sämtliche Lebensunterhaltskosten einschließlich der Unterkunft, der Ausbildung und der Versorgung im Krankheits- und Pflegefall für einen Zeitraum von sechs Jahren aufkommen müsse. Die insgesamt möglicherweise existenzgefährdende Höhe der Erstattungsbeiträge stehe der Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung nicht entgegen.
Az.: 14 K 1085/23 E (Finanzgericht Münster)
Az.: VI R 60/11 (Bundesfinanzhof zu Auslandsadoption)
Az.: VI R 2/17 (Bundesfinanzhof zu künstlicher Befruchtung)
Az.: 12 A 1353/17 (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen)