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Umgang mit Staatenlosen: Studie beklagt "Blackbox Verwaltung"



Im Umgang mit Staatenlosen gibt es bundesweit kein einheitliches Verfahren. Das beklagt der Sachverständigenrat für Integration und Migration. Deshalb entscheiden die Behörden sehr unterschiedlich. Und viele Personen bleiben auf Dauer staatenlos.

Berlin (epd). Eine neue Studie des wissenschaftlichen Stabs des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) beschreibt den praktischen Umgang mit Staatenlosigkeit und ungeklärter Staatsangehörigkeit als „Blackbox Verwaltung“. Ein einheitliches Feststellungsverfahren gebe es in Deutschland noch nicht. Die praktizierten Verfahren seien komplex, die Handhabung sei uneinheitlich, heißt es in einer Mitteilung. Ziel der Erhebung sei es zu zeigen, „wie der Status quo verbessert und Herausforderungen überwunden werden können“.

Mehr als 125.000 Menschen leben den Angaben nach hierzulande als Staatenlose oder mit ungeklärter Staatsangehörigkeit. Deutschland ist als Vertragsstaat des Übereinkommens über die Rechtsstellung von Staatenlosen verpflichtet, Menschen ohne Staatsangehörigkeit zu identifizieren und ihnen Zugang zu nationalen und internationalen Rechten zu gewähren.

„Zeitaufwendige und komplexe Prüfung“

Staatenlose und Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit bilden laut SVR eine heterogene Gruppe: Unter ihnen sind Zugewanderte ebenso wie Menschen, die bereits in Deutschland geboren wurden; ein großer Teil hat einen Fluchthintergrund, nicht alle verfügen über Aufenthaltspapiere. „Die Wege der betroffenen Personen durch die deutschen Behörden unterscheiden sich je nach Ausgangslage“, erläutert Maximilian Müller, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim SVR. „Eins ist aber immer gleich: Bei der Feststellung von Staatenlosigkeit handelt es sich um eine zeitaufwendige und komplexe Prüfung“, so der Studienautor.

Im Gegensatz zu anderen EU-Ländern wie Frankreich oder Spanien gibt es in Deutschland kein einheitliches und etabliertes Feststellungsverfahren, wie die Untersuchung zeigt, die vor allem die Ausländerbehörden in den Blick nimmt. „Behörden stellen unterschiedliche Ansprüche an die Mitwirkung der Betroffenen; die Grenzen der Zumutbarkeit werden uneinheitlich definiert und von der einen Behörde getroffene Entscheidungen sind für andere nicht unbedingt bindend“, erläuterte Müller. „Das führt häufig zu Verunsicherung bei den Betroffenen wie Mitarbeitenden der Behörden selbst.“

Häufig kann Staatenlosigkeit nicht geklärt werden

Hinzu kämen weitere Hürden - etwa fehlende Kooperation potenzieller Herkunftsstaaten oder Kapazitätsengpässe bei deutschen Behörden. Häufig kann die Staatenlosigkeit deshalb nicht abschließend festgestellt werden; der prekäre Status „ungeklärt“ bleibt Dauerzustand. Um das zu verhindern, sollten die gesetzlichen und verwaltungsrechtlichen Regelungen angepasst werden.

„Die Zahl der Betroffenen ist in den vergangenen Jahren gestiegen, der Handlungsbedarf damit auch“, so der SVR-Mitarbeiter weiter. Waren 2014 rund 15.000 staatenlose Menschen in Deutschland registriert, sind es zehn Jahre später bereits 29.500. Die Zahl der Menschen, deren Staatsangehörigkeit ungeklärt ist, stieg im gleichen Zeitraum von 43.000 Personen auf inzwischen über 96.000.

Damit Feststellungsverfahren transparent gestaltet werden können, sind einheitliche Regelungen nötig. „Es braucht Leitplanken: Zuständigkeiten, Mitwirkungspflichten und Grenzen der Zumutbarkeit müssen klar definiert werden“, so Müller. „So könnte zum Beispiel festgelegt werden, wie häufig die Betroffenen eine Vertretung des mutmaßlichen Herkunftslands zur Klärung einer etwaigen Staatsangehörigkeit kontaktieren müssen und welche Wartefristen angemessen sind. Zudem sollte geregelt werden, wie lange ein Feststellungsverfahren insgesamt dauern darf.“

Zentralisierung nach Vorbild des Asylverfahrens denkbar

Ein weiterer wichtiger Schritt ist eine Zentralisierung des Prozesses, um Wissen und Handeln zu bündeln und Ressourcen zu schonen. In Deutschland könnte das dem Fachmann zufolge auf Bundes- oder auf Landesebene erfolgen. „Das setzt natürlich einen entsprechenden politischen Willen voraus“, erläutert Jan Schneider, Leiter des Bereichs Forschung beim SVR. „Asylverfahren könnten als Vorbild dienen: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge würde als zentrale Behörde die Staatenlosigkeit der Antragstellenden prüfen; die Entscheidung wäre dann für andere Behörden bindend.“

Alternativ empfiehlt der wissenschaftliche Stab des SVR, Feststellungsverfahren auf Landesebene zu bündeln - etwa bei den in einigen Ländern eingerichteten zentralen Ausländerbehörden. Zumindest sollten Austauschforen eingerichtet bzw. gefördert werden, in denen am Prozess beteiligte Verwaltungsstellen Unterstützung suchen können.

Sonderregel für Kinder von Staatenlosen vorgeschlagen

Ein Feststellungsverfahren zur Anerkennung von Staatenlosigkeit sei indes nicht für alle Gruppen sinnvoll. „Menschen, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, sollten stattdessen einen vereinfachten Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit erhalten. Hier ist eine Einbürgerung nach fünfjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt möglich.“ Im Rahmen der jüngst erfolgten Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes sei dieses Thema allerdings nicht zufriedenstellend behandelt worden, so Schneider. „Deshalb muss auf unterhalb der gesetzlichen Ebene nachgebessert werden, idealerweise bei der Überarbeitung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht.“

Wenn es dazu nicht komme, sollte das zuständige Bundesministerium des Innern und für Heimat seine Anwendungshinweise zum Staatsangehörigkeitsrecht entsprechend klar formulieren. Der SVR vertritt die Auffassung, dass Kinder von anerkannten Staatenlosen, die seit mindestens fünf Jahren in Deutschland leben, bei der Geburt automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten sollten.

Dirk Baas


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