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NRW will Widerspruchslösung bei Organspende




Organspendeausweis
epd-bild/Rolf Zöllner
Nordrhein-Westfalen dringt auf die Einführung einer Widerspruchslösung bei der Organspende in Deutschland. Eine Bundesratsinitiative soll die rechtliche Voraussetzung dafür schaffen, dass sich die Zahl der Organspenden erhöht.

Düsseldorf, Kiel (epd). NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat am 4. Juni in Berlin eine von Nordrhein-Westfalen initiierte Bundesratsinitiative zur Einführung der Widerspruchslösung bei der Organspende vorgestellt. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass zukünftig alle Menschen in Deutschland grundsätzlich als Organspender gelten, wenn sie dem nicht widersprechen. Eine entsprechende Bundesratsinitiative soll am 14. Juni in die Länderkammer eingebracht werden. Patientenschützer äußerten sich skeptisch zu dem Vorstoß.

Bei der Widerspruchslösung wird grundsätzlich jeder Mensch in Deutschland gesetzlich zur Organspenderin oder zum Organspender erklärt. Sollte er damit nicht einverstanden sein, muss er aktiv Widerspruch einlegen. Aktuell gilt die Entscheidungslösung: Danach dürfen Organe und Gewebe nur dann nach dem Tod entnommen werden, wenn die verstorbene Person dem zu Lebzeiten zugestimmt hat.

Fünf Länder unterstützen Antrag

Aktuell wird der NRW-Gesetzesentwurf von Baden-Württemberg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein unterstützt. Die Landesregierung erwartet, dass weitere Bundesländer nach den dort noch ausstehenden Kabinetts- oder Senatsabstimmungen hinzukommen. Findet die Gesetzesinitiative eine Bundesratsmehrheit, muss sich der Bundestag mit ihr befassen.

Dort laufen aber längst weitere Bemühungen, erneut per Gruppenantrag über die Widerspruchslösung zu beraten. Die Medizinerin und SPD-Abgeordnete Sabine Dittmar sagte der ARD, es würden „sehr intensive Gespräche geführt, die auch sehr konstruktiv sind“. Der CDU-Gesundheitspolitiker Sepp Müller rechnet nach eigenen Worten noch in dieser Legislaturperiode mit einer Entscheidung.

Lauterbach ebenfalls für Reform

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist dafür: „Das würde die Leben von Zehntausenden von Menschen besser machen“, sagte er dem ARD-Hauptstadtstudio. „Das sind ja immer ganze Familien, die auf das Organ warten.“ Die Initiative dazu müsse aus dem Parlament kommen, da es sich um eine Gewissensentscheidung eines jeden einzelnen Abgeordneten handele.

Hintergrund der Initiative aus NRW sei die massive Lücke zwischen gespendeten Organen und Personen, die ein Spenderorgan benötigen, obwohl eine Mehrheit der Bevölkerung der Organspende gegenüber positiv eingestellt sei, hieß es.

Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) sagte, zu viele Menschen in Deutschland warteten auf ein Spenderorgan, weil es zu wenige gespendete Organe gebe. „Auch in Schleswig-Holstein ist das feststellbar, wo aktuell 394 Patientinnen und Patienten auf ein Spenderorgan warten.“ Schleswig-Holstein unterstütze deshalb die Widerspruchslösung. „Das ist ein richtiger Ansatz, denn eine deutliche Mehrheit der Menschen in Deutschland steht der Organspende positiv gegenüber, ihre Entscheidung ist aber nicht dokumentiert“, so die Ministerin. Dieses Problem solle mit der Widerspruchslösung behoben werden.

Erfolge in anderen EU-Staaten

Die meisten europäischen Länder haben die Widerspruchslösung bereits eingeführt. Deutschland importiert Organe aus vielen dieser Länder mit entsprechend höheren Spenderzahlen über die internationale Vermittlungsstelle „Eurotransplant“. Aber auch in diesen beteiligten Ländern seien Spenderorgane knapp, erklärte Laumann. Deutschland stehe mit der Entscheidungslösung europaweit allein und habe im Ländervergleich die wenigsten Organentnahmen. Damit sei es Zeit, das System der Organspende hierzulande zu ändern: „Solidarität hat immer einen Hin- und Herweg.“

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz bezweifelt hingegen, dass die angestrebte Widerspruchslösung zu mehr Organspenden führt. Es gelte, nicht in Grundrechte einzugreifen und Schweigen als Zustimmung zu werten, sagte der Vorsitzende der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der am 5. Juni erschienenen Düsseldorfer „Rheinischen Post“. „Stattdessen müssen der Ressort-Chef und seine Amtskollegen endlich die organisatorischen Mängel im Organspendesystem beseitigen“, mahnte Brysch.

Brysch: Rahmenbedingungen in Kliniken ändern

Verantwortlich für die höheren Organspendenzahlen etwa in Spanien sind nach Worten Bryschs strukturelle und organisatorische Maßnahmen. Dazu gehörten finanzielle Anreize für Krankenhäuser, ein effektives Transplantations-Netzwerk, Bildungsprogramme und die Schulung von Koordinatoren im Umgang mit Angehörigen.

In Deutschland warteten nach Zahlen des Gesundheitsministeriums Ende 2023 knapp 8.400 Patientinnen und Patienten auf ein Spenderorgan. Dem standen lediglich 2.900 Organspenden gegenüber. „Die Zahlen bewegen sich seit Jahren auf einem vergleichbaren Niveau und das ist deutlich zu wenig“, sagte Laumann. Das sei „eine massive Lücke, die für viele Menschen am Ende womöglich den Tod bedeuten kann“.

Gabriele Fritz, Dirk Baas