Wiesbaden (epd). Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden kümmern sich Väter heute länger um ihre Kinder als noch vor einem Jahrzehnt. Aber immer noch sind es die Mütter, die mehr Betreuungsarbeit leisten, und Männer und Frauen setzen unterschiedliche Schwerpunkte bei der Kinderbetreuung. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung sieht darin das Abbild von Ungleichheiten in der Erwerbsarbeit.
Aus der Zeitverwendungserhebung für 2022 des Statistischen Bundesamts ging hervor, dass Väter sich in jenem Jahr Tag für Tag im Schnitt eine Stunde und 19 Minuten um den Nachwuchs gekümmert hatten. 2012/2013 habe die tägliche Betreuungszeit von Vätern noch 51 Minuten betragen und damit rund eine halbe Stunde weniger als in der jüngsten Erhebung, teilte das Bundesamt am 7. Mai mit.
Von den durchschnittlich 79 Minuten, die Väter täglich mit den Kindern verbrachten, wendeten sie 23 Minuten für das Beaufsichtigen drinnen oder draußen auf und 20 Minuten für Sport und Spiel. Mütter kümmern sich der Statistik zufolge dagegen eher um die Körperpflege sowie das Füttern und Anziehen des Nachwuchses.
Die Statistikbehörde berücksichtigte Alleinerziehenden- und Paar-Haushalte mit Kindern unter 18 Jahren. Dazu zählten leibliche Kinder, Stief-, Adoptiv- und Pflegekinder. Die ausgewiesenen Zeiten umfassten die Kinderbetreuung als Hauptaktivität. Kinderbetreuung, die nebenbei läuft, zum Beispiel das Beaufsichtigen beim Spielen, während der Elternteil einer Hausarbeit nachgeht, wurde nicht berücksichtigt. Diese beträgt bei Vätern den Angaben zufolge zusätzliche 40 Minuten und bei Müttern eine Stunde und 21 Minuten pro Tag.
Die wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung, Claudia Kohlrausch, wies darauf hin, dass Väter nach der Geburt des ersten Kindes häufig mehr Erwerbsarbeit leisteten, während Mütter diese reduzierten. „Wir brauchen daher eine Umverteilung von Zeit: Zeit für Sorgearbeit muss von Frauen zu Männern und Zeit für Erwerbsarbeit von Männern zu Frauen verteilt werden“, sagte Kohlrausch. Die Zahlen des Bundesamts spiegelten den in Studien schon oft belegten Wunsch von Vätern nach einer gleichberechtigteren Verteilung von Sorgearbeit.
Eine am 8. Mai veröffentlichten Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln bekräftigte den Befund des Statistischen Bundesamts. Laut der Untersuchung verbrachten Väter im Jahr 2021 durchschnittlich 4,7 Stunden am Tag mit ihren Kindern unter sechs Jahren. 2001 waren es dagegen im Durchschnitt nur 2,8 Stunden pro Tag gewesen. Die Zahlen in der Studie beruhen auf Angaben von 30.000 Menschen aus 15.000 Haushalten, die im sogenannten Sozio-oeconomischen Panel (SOEP) festgehalten werden. Dabei handelt es sich um eine seit 1984 regelmäßig realisierte Befragung.
Während demnach 2001 lediglich 7 Prozent der Väter mehr als sechs Stunden Zeit mit ihren Kindern verbracht hatten, waren es 2021 schon fast 21 Prozent. Der Anteil der Väter, die sich überhaupt nicht um die Betreuung ihrer Kinder kümmerten, sank in dem Zeitraum von 4,9 auf 1,4 Prozent.
Auch bei der Hausarbeit, wie Waschen, Putzen und Kochen, gaben Väter der Studie zufolge an, sich länger damit zu beschäftigen als noch vor 20 Jahren. So erklärten fast 85 Prozent der Väter, täglich bis zu zwei Stunden Hausarbeit zu erledigen. 2001 waren dies 61 Prozent gewesen. Die tägliche Hausarbeit bei den Männern stieg in dem Zeitraum allerdings nur leicht: von durchschnittlich 0,7 auf 1,1 Stunden pro Tag.
Aus den Studiendaten geht aber auch hervor, dass Mütter weiterhin den Großteil der Last bei der Kinderbetreuung und der Hausarbeit schultern. Elf Stunden verbrachten sie nach eigenen Angaben 2021 im Durchschnitt pro Tag mit der Kinderbetreuung. Außerdem gaben 56 Prozent an, dass sie am Tag bis zu zwei Stunden mit der Hausarbeit verbringen. Bei 43,6 Prozent waren es mehr als zwei Stunden.
„Da die geburtenstarken Babyboomer aus dem Erwerbsleben ausscheiden, wird Deutschland in den kommenden Jahren verstärkt auf die Arbeitskraft von Müttern angewiesen sein, um Wachstum und Wohlstand zu sichern“, sagte IW-Experte und Studienautor Wido Geis-Thöne. Insofern sei es eine erfreuliche Entwicklung, dass sich Väter mehr um Kindeserziehung und Hausarbeit kümmerten. Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wirklich gewährleisten zu können, reiche das allerdings nicht aus. Laut IW fehlen über 300.000 Kita-Plätze für Kinder unter drei Jahren in Deutschland.