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Corona

Caritas: Pandemie hat in der Gesellschaft tiefe Spuren hinterlassen




Seniorenheim Müggelschlösschenweg in Berlin im Jahr 2021
epd-bild/Rolf Zöllner
Die Caritas zieht ein Jahr nach dem Ende der Corona-Pandemie eine kritische Bilanz. Dass der Gesundheitsschutz oberste Priorität gehabt habe, sei richtig gewesen. Die sozialen und psychischen Folgen der Krise seien aber noch immer spürbar - etwa bei Patientinnen und Patienten mit Long Covid.

Berlin (epd). Der Deutsche Caritasverband sieht die Spuren der Corona-Pandemie „tief in der Gesellschaft eingraviert“. Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen hätten sich verdoppelt. „Die Pandemie hatte für viele Menschen schwerwiegende, auch finanzielle Folgen“, erklärte der katholische Verband am 17. April in Berlin.

Corona sei nicht Vergangenheit, hieß es. In den Krankenhäusern der Caritas würden noch immer Infizierte behandelt, in den Reha-Einrichtungen Menschen mit Long-Covid betreut. Auch hätten die Caritasverbände neue Angebote, wie Selbsthilfegruppen für Patienten mit Long Covid, auf die Beine gestellt. „Und in den Caritas-Beratungsstellen macht sich bemerkbar, welche schwerwiegenden, auch finanziellen Folgen die Pandemie für viele Menschen hatte“, heißt es in der Mitteilung.

Forderung nach kritisch-konstruktiver Aufarbeitung

„Wir müssen Corona konstruktiv-kritisch aufarbeiten“, sagte Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes. Jede geplante Enquete-Kommission sollte neben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch diejenigen einbeziehen, die in der Praxis in der Corona-Zeit Verantwortung übernommen und Lösungen gefunden haben, forderte sie.

Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der ergriffenen Corona-Maßnahmen lasse sich nicht pauschal beantworten, erläuterte Gundekar Fürsich, Geschäftsführer der Caritas Altenhilfe Trägergesellschaft „St. Elisabeth gGmbH“ in Erfurt. „Aus heutiger Sicht hätte das anfangs strikte Verbot von Angehörigenbesuchen und des Zugangs von Seelsorgenden zu Schwerstkranken schrittweise anders geregelt werden müssen.“ Man müsse auch die Bedeutung von sozialen Kontakten für das seelische Wohlbefinden erkennen: „Die Balance zwischen Schutzmaßnahmen und dem Recht auf zwischenmenschliche Beziehungen muss ausgewogen sein. Damit Angehörige zum Beispiel auch bei Sterbenden sein können“, so Fürsich.

Für Menschen, die sich von ihren sterbenden Angehörigen in den Heimen verabschieden wollten, sei im Lockdown die Balance zwischen Schutzmaßnahmen und dem Recht auf zwischenmenschliche Beziehungen nicht immer ausgewogen gewesen.

Auch seien die Schulschließungen über das Notwendige hinausgegangen. „Kinder gerieten aus dem Blick der Fachkräfte in Schulen, Kitas und Freizeitstätten, sie erhielten keine Hilfe bei Problemen in den Familien“, bedauert der katholische Wohlfahrtsverband.

Viele Jugendliche verloren Anschluss an die Gesellschaft

Viele Jugendliche hätten in der Corona-Pandemie den gesellschaftlichen Anschluss oder die berufliche Perspektive verloren. Besonders Mädchen am Übergang zwischen Schule und Beruf leiden nach Feststellung des Verbandes darunter. 35 Prozent der Mädchen zwischen 16 und 19 Jahren wiesen depressive Symptome auf, bei den Jungen seien es 15 Prozent. „Junge Frauen mit Kindern mussten während des Lockdowns großem Druck standhalten, weil sie Kindererziehung, Betreuung, Begleitung im Homeschooling mit eigener Berufstätigkeit und/oder Schulbesuch/Studium vereinbaren mussten. Das blieb lange außerhalb des öffentlichen Interesses“, beschreibt Monika Kießig, Einrichtungsleiterin bei der Caritas Familien- und Jugendhilfe gGmBH in Berlin-Neukölln.

Fast jede vierte Frau zwischen 16 und 35 Jahren leide heute noch unter den Folgen der Pandemie. Frauen berichteten von Überforderung, Zukunftsängsten und Vereinsamung, hieß es weiter. Gerade junge Frauen mit Kindern seien während des Lockdowns unter großem Druck gestanden, weil sie Kindererziehung, Betreuung, Begleitung im Homeschooling mit eigener Berufstätigkeit vereinbaren mussten.

Um Krisen wie eine Pandemie zu bestehen, sei ein dicht geknüpftes Netz sozialer Infrastruktur nötig. „Eine krisenresiliente Gesellschaft braucht Pufferkapazitäten in den sozialen Einrichtungen und Diensten“, sagte Präsidentin Welskop-Deffaa. Aus Corona lernen heiße daher auch, in Haushaltsberatungen den Rotstift nicht zuerst im Sozialbereich anzusetzen: „Ein dichtes Netz der Gesundheitsversorgung, Familien- und Sozialberatungsstellen, eine Alten- und Behindertenhilfe mit auskömmlichen Personalschlüsseln - das alles wird dringend gebraucht.“

Markus Jantzer