Schleswig (epd). Jobcenter können bei Mietschulden von Bürgergeldbeziehern mit einem Darlehen einspringen - müssen das aber nicht in jedem Fall tun. Wohnt der Grundsicherungsempfänger in einer unangemessen teuren und zu großen Wohnung und beharrt der Vermieter auch beim Begleichen der Mietschulden auf der Kündigung, muss das Jobcenter nicht mit einem Darlehen einspringen, entschied das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) in Schleswig in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 29. November 2023.
Damit hatte der Eilantrag eines alleinerziehenden Vaters von drei Kindern keinen Erfolg. Der Mann war als Hausmeister und Fliesenleger selbstständig tätig. In den Monaten März bis April 2020 zahlte er einen großen Teil seiner Kaltmieten nicht. Seit August 2021 ist er auf Hartz IV und nun Bürgergeld angewiesen. Wegen der aufgelaufenen Mietschulden in Höhe von knapp 5.400 Euro kündigte der Wohnungseigentümer das Mietverhältnis fristlos zum 31. Dezember 2023 und hilfsweise ordentlich zum 28. Februar 2024.
Doch der Bürgergeldbezieher wollte seinen Verbleib in der Wohnung retten und beantragte beim Jobcenter Kreis Plön ein Darlehen zur Begleichung der Mietschulden. Das Jobcenter wollte jedoch kein Darlehen gewähren, dass es dem Mann ermöglicht hätte, die Schulden zu bezahlen.
Den dagegen gerichteten Eilantrag wies das LSG nun ab. Beim Bürgergeld könnten nach dem Gesetz Schulden in Form eines Darlehens übernommen werden, „soweit dies zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt ist“. „Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit droht.“
Hier sei die Schuldenübernahme aber nicht gerechtfertigt, befand das Gericht. Denn die längerfristige Sicherung der Wohnung könne dadurch nicht erreicht werden. Der Vermieter habe erklärt, dass er auch bei einer Begleichung der Mietschulden unter keinen Umständen an einer Fortsetzung des Mietverhältnisses interessiert sei.
Zudem handele es sich hier um eine „nicht kostenangemessene“ Unterkunft, für die das Jobcenter sowieso nur befristet voll aufkommen müsse. Zwar habe der Gesetzgeber mit der Einführung des Bürgergeldes eine einjährige „Karenzzeit“ eingeführt, in der Jobcenter auch die tatsächlich unangemessenen Unterkunftskosten übernehmen. Damit solle es dem Bürgergeldbezieher ermöglicht werden, sich auf die Arbeitssuche konzentrieren zu können, ohne mit einer Wohnungssuche belastet zu sein. Im hier vorliegenden Fall sei die Karenzzeit aber längst abgelaufen.
Vermieter können sich zur Begleichung von Mietschulden auch nicht einfach vom Arbeitslosen Hartz-IV-Ansprüche (Bürgergeld) abtreten lassen. Es liegt nicht im „wohlverstandenen Interesse“ des Arbeitslosengeld-II-Berechtigten, dass das Jobcenter die für den laufenden Lebensunterhalt vorgesehene Regelleistung zur Tilgung der Altschulden schmälert, urteilte am 3. Mai 2021 das LSG Celle.
Um von einer mittellosen Frau die Schulden eintreiben zu können, vereinbarte im Streitfall der Vermieter mit ihr die Abtretung von Hartz-IV-Ansprüchen. Die aufgelaufenen Schulden aus zwei Nebenkostenabrechnungen sollte das Jobcenter ratenweise direkt an ihn abstottern und dafür die Regelleistung entsprechend um 100 Euro monatlich kürzen.
Das LSG urteilte, dass die Regelleistung der Deckung des laufenden Lebensunterhalts diene und eben nicht dem Begleichen von Altschulden. Ein Darlehen für die Frau zur Sicherung der Wohnung komme nicht infrage, weil sie bereits ausgezogen sei.
Das Bundessozialgericht urteilte am 25. Juni 2015, dass Jobcenter auch nicht die Nebenkostenforderung für eine frühere Wohnung aus Zeiten vor der Hilfebedürftigkeit bezahlen müssen. Denn das Gesetz ziele nur „auf die Sicherung der aktuell bewohnten Unterkunft ab“ ab.
Fliehen dagegen Frauen vor ihrem gewalttätigen Partner in ein Frauenhaus, muss das Jobcenter vorübergehend für doppelte Unterkunftskosten und für die bis zur Kündigung des Mietverhältnisses aufgelaufenen Mietschulden aufkommen. Zwar könne grundsätzlich nur für eine Unterkunft die Kosten übernommen werden. Eine Ausnahme könne aber bei vorübergehend vorliegen, hieß es.
Hier liege solch eine Ausnahme vor. Denn „der Umzug in ein Frauenhaus war geboten“. Die Klägerin und ihr Sohn seien unstreitig einer Bedrohung durch den Vater des Kindes ausgesetzt gewesen. Die Hartz-IV-Bezieherin habe bei ihrem früheren Vermieter auch alles ihr Mögliche unternommen, sie vorzeitig aus dem Mietverhältnis zu entlassen.
Wegen der gesetzlichen Kündigungsfristen seien die Kosten der alten Wohnung „zwangsläufige Folge der Deckung des Grundbedürfnisses ‚Wohnen‘“ und müssten vom Jobcenter übernommen werden, so das LSG.
Az.: L 6 AS 127/23 B ER (LSG Schleswig)
Az.: L 11 AS 234/18 (LSG Niedersachsen-Bremen)
Az.: B 14 AS 40/14 R (Bundessozialgericht)
Az.: L 5 AS 725/17 (LSG Halle)