sozial-Branche

Krankenhäuser

Notstand: Sozialdienste können kaum noch Nachsorge sichern




Rollstühle für Patienten im Helios Klinikum Erfurt
epd-bild/Paul-Philipp Braun
Der Pflegenotstand ist nichts Neues - es gab ihn auch schon vor zehn Jahren. Aber die aktuelle Lage überfordert zunehmend die Sozialdienste in den Krankenhäusern. Manchmal brauchen sie Tage, um die Versorgung für Entlasspatienten sicherzustellen.

Würzburg (epd). Dass es noch schlimmer würde, konnte sich vor zehn Jahren kaum jemand vorstellen. Der Pflegenotstand war bereits 2013 so groß, dass sich damals im Oktober Pflegekräfte in über 20 Städten unter dem Motto „Die Pflege liegt am Boden“ öffentlich hinlegten. Doch die Lage verschlimmerte sich weiter. Inzwischen hat die Pflegekrise eine Dimension erreicht, die Sozialdienste von Krankenhäusern ans Limit bringt. Manchmal telefonieren sie tagelang Heimplätzen und Pflegediensten hinterher, um Entlasspatienten weiterzuvermitteln.

Einrichtungen mussten schließen

Karsten Eck, Direktor des Würzburger König-Ludwig-Hauses, sagt, es sei derzeit „schier unmöglich, zeitnah einen Reha-Platz in einer geriatrischen Einrichtung oder einen Kurzzeitpflegeplatz zu finden“. In der Klinik des Bezirks Unterfranken werden orthopädisch erkrankte Patienten versorgt. Viele bräuchten mindestens eine Sozialstation, die sich nach der Entlassung um sie kümmern würde, erläutert Eck: „Doch die Suche nach einem Pflegedienst gestaltet sich annähernd so aussichtslos wie die nach einem Kurzzeitpflegeplatz.“

Der Krankenhausdirektor macht den Personalmangel und massive finanzielle Schwierigkeiten für diese Situation verantwortlich: „Reha-Abteilungen und ganze Einrichtungen in unserem Einzugsgebiet mussten schließen.“ Weil die Patienten nun nicht vermittelt werden können, müssen sie in der Klinik bleiben. Die Kosten dafür tragen die Krankenkassen aber nicht, weil es sich um einen „medizinisch nicht notwendigen Aufenthalt“ handle. Das sorgt bei der Klinik für Finanzprobleme - und dringend benötigte Betten werden blockiert.

Der Verbund „Klinikum Würzburg Mitte“ (KWM) begann bereits 2018, Kooperationen mit Pflegeheimen zu schließen. Dort stünden „feste Kurzzeitpflegeplätze für Patienten aus dem KWM zur Verfügung“, erläutert Sprecherin Daniela Kalb. Was aber nur bedingt hilft: „Einrichtungen, die Betten zur Verfügung hätten, können aufgrund fehlender Pflegekräfte keine oder weniger Patienten aufnehmen.“ Den KWM-Sozialdienst kostet die Organisation der Nachversorgung deshalb immer mehr Zeit.

Insgesamt sind in Stadt und Landkreis Würzburg laut Experten derzeit 500 Pflegebetten aufgrund des Fachkräftemangels nicht belegbar. Erstaunlich ist, dass es in der Region gleichzeitig Pflegekräfte ohne Job gibt. Im November waren im Agenturbezirk Würzburg 242 Personen aus dem Pflegesektor arbeitssuchend gemeldet, heißt es von der Behörde. Insgesamt 40 Pflegefachkräfte waren tatsächlich arbeitslos, wären also, da sie weder erkrankt sind noch an einer Bildungsmaßnahme teilnehmen, theoretisch sofort einsetzbar.

Es fehlen Kurzzeitpflegeplätze

Gudrun Reiß, Referentin für die ambulante Altenhilfe beim Diakonischen Werk Bayern, bestätigt, dass es immer schwieriger wird, pflegebedürftige Menschen aus der Klinik an einen Pflegedienst zu vermitteln: „Wir hören das aus allen Regionen Bayerns.“ Kurzzeitpflegeplätze als Alternative schieden meist aus: „Die sind ja auch Mangelware.“ Übergangsmäßige Notplätze für pflegebedürftige Patienten, die nicht in eine Nachsorge vermittelt werden können, seien im System nicht vorgesehen.

Was dies alles in der Praxis bedeutet, schildert Eva-Maria Klingwarth, die im Zentrum für Sozialberatung und Überleitung an der Uniklinik Regensburg arbeitet. Sie hatte vor Kurzem mit einem 70 Jahre alten Mann zu tun, der Ende Oktober mit einer Gehirnblutung im Uniklinikum aufgenommen wurde. Bereits nach einer Woche hätte er entlassen werden können, hätte es eine Nachsorge gegeben. „Durch das Akutereignis ist der Patient in seiner Mobilität eingeschränkt, er benötigt volle pflegerische Versorgung“, sagt die Sozialpädagogin.

Das Team des Sozialdienstes begann bei rund 180 Einrichtungen nach einem Heimplatz zu suchen. Erst nach 16 Tagen fand sich ein Heim, das bereit war, den Patienten aufzunehmen. Es liegt ungefähr 100 Kilometer von Regensburg entfernt. „Für den Patienten und seine Ehefrau eine erhebliche psychische Belastung“, betont die Sozialberaterin. Weil ihn die Gehirnblutung und deren Folgen emotional stark belasten, bräuchte der Mann die Nähe seiner Frau. Die jedoch kann ihn wegen der großen Distanz nur selten besuchen.

Aus dem Krankenhaus zur Tochter

Auch in München ist die Situation für den Sozialdienst extrem, sagt Christina Strych, Entlassmanagerin im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder. Wie gravierend die Lage ist, schildert die Überleitungspflegerin am Beispiel eines 87-jährigen Patienten, der wegen seines schlechten Allgemeinzustands vor kurzem stationär aufgenommen werden musste. Er wird bettlägerig bleiben. Die Tochter, die ihren Vater seit langem unterstützt, ist inzwischen überlastet: „Sie möchte, dass er nach dem Krankenhaus ins Pflegeheim geht.“

Bevor der Senior ins Krankenhaus der Barmherzigen Brüder kam, hatte er überhaupt keine pflegerische Hilfe erhalten. „Kein Platz“, das habe ihr Team permanent zu hören bekommen, schildert Strych. So ging das Tag für Tag: „Nach einer Woche hatten wir aber immer noch keinen Platz.“ Die Tochter, obwohl völlig überfordert, akzeptierte schließlich nach langer Überlegung, dass der Vater wieder nach Hause kam. Zum Glück gelang es, einen Pflegedienst zu organisieren.

Das Bayerische Pflegeministerium bemüht sich aktuell darum, die Suche nach pflegerischen Angeboten zu erleichtern. In wenigen Wochen soll eine digitale Pflegeplattform an den Start gehen. Der Aufbau der Plattform wird von der Staatsregierung in den nächsten Jahren mit insgesamt rund 291.000 Euro unterstützt.

Pat Christ