sozial-Recht

Bundesarbeitsgericht

Pflicht zum Lesen von SMS vom Chef auch in der Freizeit



Erfurt (epd). Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist das Lesen einer SMS von ihrem Arbeitgeber über den Beginn ihrer zuvor eingeteilten Arbeitsschicht in ihrer Freizeit zuzumuten. Legt eine betriebliche Regelung fest, dass Springerdienste eines Notfallsanitäters vom Arbeitgeber einen Tag zuvor zu einem bestimmten Zeitpunkt angewiesen werden, darf der Beschäftigte eine solche SMS nicht ignorieren, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am 6. Dezember veröffentlichten Urteil.

Telefonisch nicht erreichbar

Im Streitfall ging es um einen Notfallsanitäter aus Schleswig-Holstein. Laut Betriebsvereinbarung wurde der Mann auch zu sogenannten unkonkreten Springerdiensten eingeteilt, um so kurzfristige Erkrankungen anderer Mitarbeiter zu kompensieren. Der Arbeitgeber musste dem eingeteilten Springer den Beginn und den Dienstort am Vortag bis spätestens 20 Uhr mitteilen.

Als der Arbeitgeber im April sowie im September 2021 kurzfristig Dienste besetzen musste, konnte sie den Kläger telefonisch nicht erreichen. Sie sandte ihm daher einen Tag zuvor eine SMS und wies ihn an, zur Arbeit zu erscheinen. Der Sanitäter nahm die SMS nicht zur Kenntnis und kam deshalb nicht beziehungsweise zu spät zur Arbeit. Der Arbeitgeber kürzte ihm eine Gutschrift in seinem Arbeitszeitkonto und erteilte eine Abmahnung. Der Kläger meinte dagegen, er sei nicht verpflichtet, ständig sein Smartphone auf SMS von seinem Chef zu prüfen.

Keine Arbeit auf Abruf

Während das Landesarbeitsgericht Kiel ihm recht gab, urteilte das BAG, dass der Kläger die vom Arbeitgeber versandte SMS einen Tag vor Dienstbeginn auch in der Freizeit zur Kenntnis nehmen müsse. Ihm sei bekannt gewesen, dass er als Springer eingesetzt werde, und dass ihm der Arbeitsbeginn am Vortag bis 20 Uhr mitgeteilt werde. Zwar müsse bei einer „Arbeit auf Abruf“ der Mitarbeiter laut Gesetz mindestens vier Tage zuvor über seinen Einsatz informiert werden. Ein Abrufarbeitsverhältnis bestehe hier jedoch nicht, weil der Kläger von seinem Einsatz gewusst habe. Nur der konkrete Dienstbeginn und -ort seien unbekannt gewesen.

Er habe auch nicht „ununterbrochen“ sein Smartphone auf Nachrichten von seinem Chef prüfen müssen. Es habe ausgereicht, sich am Vortag um 20 Uhr über den konkreten Dienstbeginn zu informieren. Als Arbeitszeit sei das einmalige Checken des Mobiltelefons nicht zu werten, befand das Gericht.

Az.: 5 AZR 349/22