Berlin (epd). Mit einer Demonstration im Regierungsviertel haben vorwiegend junge Freiwilligendienstleistende am 20. September in Berlin gegen die drohenden Kürzungen protestiert. Unter dem Motto: „Kürzt uns nicht weg“ forderten sie die Regierung auf, die Freiwilligendienste auszubauen, statt ein Drittel der Plätze zu gefährden. Kinder- und Jugendverbände protestierten gegen Einschnitte im Kinder- und Jugendetat der Bundesregierung.
Marie Beimen von der Kampagne „Freiwilligendienste stärken“ nannte es bei der Abschlusskundgebung am Brandenburger Tor „komplett unverständlich“, dass die Regierung 35.000 Freiwilligenplätze einfach wegkürzen wolle. Die Einsparungen stünden in keinem Verhältnis zu dem Schaden, den sie anrichteten: „Wir entlasten die völlig überarbeiteten Fachkräfte“, sagte Beimen. Freiwillige engagierten sich für andere Menschen und den sozialen Zusammenhalt.
Die 19-Jährige hatte für eine Petition in kurzer Zeit 100.000 Unterschriften gesammelt und war am 18. September im Petitionsausschuss im Bundestag angehört worden. Die Kampagne für Freiwilligendienste fordert eine Verdoppelung des Taschengeldes auf gut 900 Euro im Monat, damit sich auch Jugendliche mit wenig Geld den Freiwilligendienst leisten können, sowie die Finanzierung von mehr Plätzen.
In den kommenden beiden Jahren will die Koalition aus SPD, Grünen und FDP demgegenüber die Mittel um insgesamt 113 Millionen Euro kürzen, um die Sparvorgaben für den Bundeshaushalt zu erfüllen. Das entspricht jeweils einem Drittel der Ausgaben für das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr für junge Menschen und den Bundesfreiwilligendienst für alle Altersstufen. Pro Jahrgang leisten insgesamt rund 100.000 Menschen einen Freiwilligendienst. Nach Angaben der Diakonie droht jede dritte bis vierte Freiwilligenstelle wegzufallen.
Die Vorständin der evangelischen Stephanus-Stiftung, Ellen Ueberschär, kritisierte, die Kürzungen machten den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP zur Makulatur. Die Ampel-Parteien hatten vereinbart, die Freiwilligendienste nachfragegerecht auszubauen. „Weg mit den Kürzungen!“, verlangte Ueberschär. Zu der Kundgebung für die Freiwilligendienste hatten unter anderem die Diakonie Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und der Berliner Landesverband der AWO sowie die Kampagne „Freiwilligendienste stärken“ aufgerufen. Die Berliner Polizei schätzte die Teilnehmerzahl auf 1.200 Menschen.
Im Familien- und Jugendausschuss des Bundestags versicherten ebenfalls am Mittwoch alle Fraktionen, sie wollten bis zu den abschließenden Haushaltsberatungen im November noch Änderungen erreichen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) erklärte, die laufenden Freiwilligen-Programme seien bis zum Sommer 2024 finanziell abgesichert.
Die Vorsitzenden des Bundesjugendrings, Daniela Broda und Wendelin Haag, verurteilten bei der Kundgebung die geplanten Kürzungen in der Kinder- und Jugendpolitik. Rund ein Fünftel der Bundesmittel solle gestrichen werden. Dies schwäche die Jugendbildungsarbeit und die internationale Jugendarbeit. Freizeitangebote für Kinder aus ärmeren Familien würden gefährdet.
Der Bundesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt, Michael Groß, erklärte anlässlich der Proteste, versäumte Investitionen in Bildung und Begleitung junger Menschen führten zukünftig zu weit höheren Kosten. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) erklärte: „Bildungsgerechtigkeit geht anders.“ ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp nannte die Kürzungen bei Kindern und Jugendlichen „beispiellos“.