Berlin (epd). Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) lehnt eine Strafgebühr für Eltern ab, die ohne akuten Bedarf mit ihren Kindern den ärztlichen Notdienst aufsuchen. Eine solche Gebühr sei „unethisch“, sagte Lauterbach am 8. August in Düsseldorf. Eltern dürften zudem nicht für jahrelange Versäumnisse der Politik zahlen müssen. Eltern und Kinder sollten nicht dafür bestraft werden, dass die Politik ihre Aufgaben in der Notfallversorgung nicht gemacht habe, sagte er.
Der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, hatte in einem Interview in der am 7. August erschienenen „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vom 7. August eine solche Gebühr vorgeschlagen. „Die Notfallversorgung muss auf Notfälle konzentriert werden und nicht für die Pickel am Po der Kinder, für die die Eltern unter der Woche keine Zeit haben und mit denen man dann am Wochenende beim Notdienst aufschlägt“, hatte Fischbach erklärt. Bei echten Notfällen könnten die Kosten erstattet werden, das ließe sich mit wenig Aufwand umsetzen.
Neu ist diese Diskussion nicht: Im April hatte bereits der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, eine Notfallgebühr gefordert, wenn Patienten direkt in die Notaufnahme gehen, ohne vorher die Leitstelle anzurufen.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hält eine Gebühr für Eltern, die für ihre Kinder wegen Bagatellen die Notfallversorgung in Anspruch nehmen, jedoch für schädlich. „Mit Gebühren ökonomischen Druck aufzubauen und so vielleicht Eltern davon abzuhalten, auch in tatsächlichen Notfällen Hilfe zu suchen, kann fatale Folgen haben“, sagte der DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß am 7. August in Berlin. Kinder dürften nicht unter Fehlentwicklungen im Gesundheitssystem leiden.
DKG-Chef Gaß hingegen wies auf strukturelle Defizite als Ursache für die Inanspruchnahme der Notfallversorgung hin. Lange Wartezeiten bei Kinderärzten führen seinen Worten zufolge dazu, dass Eltern die Notfallambulanzen aufsuchten, obwohl eine Behandlung in einer niedergelassenen Praxis ausreichend wäre. „Solange diese Defizite bestehen, ist jede Diskussion um Strafgebühren fehl am Platz“, sagte Gaß.
Darüber hinaus fehle es vielen Eltern an Kompetenz, um mit einfachen Erkrankungen umzugehen. Hier müsse man aufklären und unterstützen. Neben einer Beratung brauche es auch eine funktionierende Patientensteuerung, um Notfälle von Bagatellen zu unterscheiden und Betroffene in die jeweils geeignete Versorgungsstruktur leiten zu können, so Gaß.
Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) lehnte eine Notfallgebühr ebenfalls ab. „Durch eine Gebühr würde die Verantwortung für die medizinische Einschätzung, ob das Aufsuchen einer Notaufnahme erforderlich ist, auf die Hilfesuchenden übertragen werden“, sagte Laumann der am 8. August erschienenen „Rheinischen Post“. „Am Ende bestünde die Gefahr, dass Menschen, für die eine Gebühr eine hohe finanzielle Belastung bedeuten würde, im Zweifel keine medizinische Hilfe in Anspruch nehmen.“ Der CDU-Politiker befürchtet zudem neue Bürokratie für die Kliniken.
Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen, man sprach sich zwar dafür aus, Versicherte besser in die für sie geeignete Versorgung zu lotsen und so die Notaufnahmen zu entlasten. „Dabei eine Strafgebühr einzuführen, ist jedoch der falsche Weg und geht am Problem vorbei.“ Zunächst müssten die Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Versicherte schnell einen Termin bei einer Arztpraxis bekommen.
Dazu gehört laut Elsner, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) die Erreichbarkeit der Terminservicestellen unter der Rufnummer 116 117 verbessern. Außerdem sollten mehr Ärztinnen und Ärzte freie Termine bei den Terminservicestellen melden, damit gerade bei dringender Behandlungsnotwendigkeit eine schnelle Versorgung in der Arztpraxis sichergestellt werde.
Zudem brauche man ein zugängliches Verfahren zur Ersteinschätzung von Notfällen. „Medizinische Beratung, ob tatsächlich ein Arztbesuch nötig ist, sollte niedrigschwellig per Telefon oder Videosprechstunde möglich sein und durch die Kassenärztlichen Vereinigungen organisiert werden“, sagte die Verbandschefin. Gleichzeitig müssten KV-Bereitschaftsdienstpraxen mit gemeinsamen Tresen und Ersteinschätzung flächendeckend an allen Krankenhäusern aufgebaut werden, die von Versicherten bei Notfällen aufgesucht werden.