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Mission Gesundheit für alle




Schwangere Frauen warten vor einer Geburtsklinik im ostafrikanischen Malawi auf ihre Untersuchung.
epd-bild/Marieke van der Vel
Vor 75 Jahren, am 7. April 1948, trat die Verfassung der Weltgesundheitsorganisation in Kraft. Zwar kann die Jubilarin WHO durchaus Erfolge aufweisen, doch Krisen wie die Corona-Pandemie trüben zugleich die Bilanz.

Genf (epd). Kurz vor ihrem 75. Geburtstag konnte die Weltgesundheitsorganisation einen neuen Erfolg melden: Aserbaidschan und Tadschikistan sind frei von Malaria. Nach einer „jahrhundertelangen Anstrengung“ hätten die beiden Länder es geschafft. „Die Ausrottung der Malaria ist möglich“, lobte Ende März WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus mit Blick auf die zwei Staaten. „Ich hoffe, dass andere Länder von ihrer Erfahrung lernen können.“

Die Meldung über das Ende der Malaria in den zwei zentralasiatischen Ländern kam dem WHO-Chef als kleines Geschenk zum großen Jubiläum gerade recht: Vor genau 75 Jahren startete die Weltgesundheitsorganisation ihre Mission. Die WHO-Verfassung trat am 7. April 1948 in Kraft. Die internationale Koordinierungsbehörde für öffentliche Gesundheit mit Sitz in Genf sollte nach dem Zweiten Weltkrieg eine Ära zum Wohle der Menschen mitgestalten. Der Zweck der WHO besteht laut der Verfassung darin, allen „Völkern zur Erreichung des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu verhelfen“.

Kein Grund zum ausgelassenen Feiern

Anlässlich des Gründungsjubiläums nennt Tedros weitere Meilensteine. So konnte die WHO-Anti-Tabak-Konvention von 2005 das Rauchen eindämmen. WHO-Impfkampagnen bewahrten Millionen Erdenbewohner vor dem frühen Tod. Eine dieser Kampagnen führte 1979 zur Ausrottung der Pocken. Allein im 20. Jahrhundert waren zuvor 300 Millionen Menschen an Pocken gestorben. „Der Sieg der Menschheit über die Pocken zeigt, was möglich ist, wenn die Nationen gemeinsam eine gesundheitliche Bedrohung bekämpfen“, sagt Tedros.

Doch eigentlich bietet der 75. Geburtstag keinen Grund zum ausgelassenen Feiern. Die Corona-Zeit ist noch lange nicht überstanden: Die Pandemie mit Millionen Toten stürzte die WHO in ihre größte Krise, unter der sie immer noch leidet. „Die WHO verfolgt keine klare übergeordnete Strategie im Kampf gegen die Pandemie“, urteilte Jeremy Youde, Sozialwissenschaftler von der University of Minnesota Duluth, USA, auf dem Höhepunkt des Ausbruchs 2020.

Auch sind Malaria, HIV/Aids und andere Plagen global noch lange nicht besiegt. Und der WHO steckt auch dier Ebola-Ausbruch in Westafrika 2014/15 noch in den Knochen. Peter Piot, der Mitentdecker des Ebola-Erregers, warf der WHO vor, angesichts der Ebola-Gefahr viel zu spät „aufgewacht“ zu sein.

Skandale sind noch unvergessen

Zudem schlagen in der WHO-Bilanz diverse Skandale zu Buche. So sah sich die Organisation in diesem März gezwungen, neue Richtlinien gegen sexuelle Übergriffe zu veröffentlichen: WHO-Mitarbeiter hatten während eines Ebola-Ausbruchs in der Demokratischen Republik Kongo Frauen missbraucht. Die WHO musste „abscheuliche“ Fälle zugeben. Ebenso musste sie im März den langjährigen Regionaldirektor für den Westpazifik, Takeshi Kasai, feuern. Mitarbeitende warfen ihm Mobbing und rassistische Sprüche vor.

Bei seinem Amtsantritt 2017 in Genf hatte Tedros einen Aufbruch versprochen. Tedros, früherer Außen- und Gesundheitsminister Äthiopiens, gelobte damals, aus der schwerfälligen, überbürokratisierten WHO eine „effektive, transparente und verantwortliche Agentur“ zu formen. Er wollte die WHO „fit für das 21. Jahrhundert“ machen. Inzwischen schickt die Organisation mit 194 Mitgliedsländern und 8.000 Mitarbeitern mehr und mehr Hilfsteams in Krisen- und Konfliktgebiete wie die Ukraine.

Auf seine Prioritätenliste setzte Tedros ein ehrgeiziges Ziel: „Gesundheit für alle“. Jeder Mensch sollte bis 2030 Zugang zu gesundheitlicher Grundversorgung haben. Noch immer aber sind große Teile der Erdbevölkerung von der Versorgung ausgeschlossen. Zumal in den armen Ländern bedeuten prinzipiell heilbare Leiden wie Tuberkulose oft das Todesurteil. An der bakteriellen Infektionskrankheit starben 2021 rund 1,6 Millionen Menschen.

Initiativen wie „Gesundheit für alle“ müssen auf die Kooperationswilligkeit der Mitgliedsländer stoßen. Wenn die Mitglieder nicht mitmachen, verpuffen die Vorgaben aus der WHO-Zentrale. Die WHO kann den Staaten keine Anweisungen geben. Sie verschreibt nur die Medizin. Andere müssen sie schlucken.

Jan Dirk Herbermann