sozial-Recht

Bundesverfassungsgericht

Gesetz über Verbot von Auslandskinderehen verfassungswidrig




Protestaktion der Hilfsorganisation World Vision gegen Kinderehen (Archivbild)
epd-bild/Jürgen Blume
Das gesetzliche Verbot von Auslandskinderehen ist verfassungswidrig. Verfolgt Deutschland mit dem Verbot das legitime Ziel, Minderjährige vor Zwangsheirat und Missbrauch zu schützen, muss es auch die Folgen bei einer Unwirksamkeit der Ehe regeln, fordert das Bundesverfassungsgericht.

Karlsruhe (epd). Das derzeitige gesetzliche Verbot von Auslandskinderehen verstößt gegen das Grundgesetz und ist unwirksam. Zum Schutz von Minderjährigen vor Zwangsheirat und sexuellem Missbrauch darf der Gesetzgeber allerdings für die Wirksamkeit der geschlossenen Ehe ein Mindestalter der Ehepartner vorsehen, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am 29. März veröffentlichten Beschluss.

Unterhaltsfragen nicht geregelt

Es stelle aber eine unverhältnismäßige Verletzung des Grundrechts der Ehefreiheit dar, wenn nicht auch die Folgen der Unwirksamkeit einer Auslandskinderehe - etwa zu Unterhaltsfragen - geregelt werden, entschieden die Karlsruher Richter. Auch müsse die Möglichkeit bestehen, dass nach Erreichen der Volljährigkeit die betroffene Auslandsehe wieder fortgeführt werden kann.

Der Bund hatte am 17. Juli 2017 eine Regelung zum Gesetz zur Bekämpfung der Kinderheirat eingeführt, nach der im Ausland rechtmäßig geschlossene Ehen in Deutschland als unwirksam gelten, wenn „der Verlobte im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr nicht vollendet hatte“. Mit der Nichtanerkennung von ausländischen Kinderehen wollte Deutschland das von UNICEF und den Vereinten Nationen verfolgte Ziel unterstützen, die Praxis der Kinderehen und eine damit einhergehende sexuelle Gewalt gegen Minderjährige zu beenden.

Vor dem Bundesverfassungsgericht ging es um ein nach Deutschland geflohenes syrisches Ehepaar. In dem Fall hatte am 10. Februar 2015 der damals 21-jährige Mann seine 14-jährige Cousine vor einem Scharia-Gericht in Syrien rechtmäßig geheiratet. Doch als das Paar im August 2015 in Deutschland einreiste, wurde die 14-Jährige von ihrem Ehemann getrennt. Sie kam in eine Jugendhilfeeinrichtung für weibliche minderjährige unbegleitete Flüchtlinge. Das Jugendamt wurde zum Vormund bestellt.

Prinzipien der deutschen Rechtsordnung

Ohne Erfolg hatte der Ehemann auf seine Ehe mit der Jugendlichen hingewiesen und die Rückführung seiner Frau beantragt. Das Jugendamt hatte dies mit der Begründung verweigert, dass hier eine verbotene Kinderehe vorliege. Die vor dem Scharia-Gericht geschlossene Ehe sei mit „grundlegenden Prinzipien der deutschen Rechtsordnung nicht vereinbar“. Hier verfüge die 14-Jährige noch nicht über die nötige Reife und zeige eher kindliches bis jugendliches Verhalten. Ein Umgang mit dem Ehemann berge die Gefahr, dass es zu strafbaren sexuellen Handlungen zwischen dem erwachsenen Mann und der Jugendlichen komme.

Das Amtsgericht Aschaffenburg sprach dem Ehemann ein Umgangsrecht für die Wochenenden zu, allerdings nur in Begleitung eines Jugendamtsmitarbeiters. Eine Zwangsehe liege aber nicht vor.

Das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg hob diese Entscheidung auf und stellte fest, dass dem Jugendamt wegen der auch in Deutschland gültigen Ehe keine Befugnis zustehe, über das Aufenthaltsrecht der Ehefrau zu bestimmen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte Zweifel, ob das mittlerweile ausdrücklich im Gesetz aufgeführte Verbot von Auslandskinderehen verfassungsgemäß ist. Es legte den Fall dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor. Nach den deutschen Vorschriften seien Kinderehen generell verboten, wenn der Minderjährige unter 16 Jahre alt ist. Hierfür müssten zumindest Ausnahmen möglich sein.

Freier Wille beider Partner

Die Verfassungsrichter entschieden, dass die gesetzlichen Regelungen mit der im Grundgesetz geschützten Ehefreiheit unvereinbar ist. Allerdings dürfe der Gesetzgeber die Wirksamkeit von Auslandskinderehen von einem Mindestalter der Beteiligten abhängig machen. Denn für das Eingehen einer Ehe bedürfe es eines freien Willens beider Partner. Dies setze die Fähigkeit beider Partner voraus, die Eheentscheidung „selbstverantwortlich zu treffen“. Hierfür sei eine „hinreichende Persönlichkeitsentwicklung“ erforderlich. Der Gesetzgeber habe annehmen dürfen, dass unter 16-Jährige darüber noch nicht verfügen und die Ehe daher generell nichtig sei.

Dies diene dem legitimen Ziel des Minderjährigenschutzes. Der Gesetzgeber habe sich hier dem Ziel der Vereinten Nationen angeschlossen, insbesondere Mädchen vor den weltweit verbreiteten Kinder- und Zwangsehen zu schützen.

Dennoch seien die gesetzlichen Bestimmungen verfassungswidrig und unwirksam, entschied das Bundesverfassungsgericht. Denn es fehle an Regelungen, die die Folgen der Unwirksamkeit einer Auslandskinderehe klären, etwa über Unterhaltsansprüche. Auch müsse die Möglichkeit bestehen, dass die betroffene Auslandsehe nach Erreichen der Volljährigkeit nach deutschem Recht als wirksame Ehe fortgeführt werden kann. Bis zum 30. Juni 2024 habe der Gesetzgeber nun Zeit, eine verfassungsgemäße Neuregelung zu schaffen. Bis dahin bleiben die bisherigen Regelungen in Kraft.

Az.: 1 BvL 7/18

Frank Leth