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Katastrophen

Erdbebenopfer: Türkei und in Syrien erhalten weiter Hilfen




Oberarzt Mehmed Antakyali mit Helferinnen im Erdbebengebiet in der Türkei
epd-bild/Mehmed Antakyali
Ein gewaltiges Erdbeben verwüstete am 6. Februar Teile der Türkei und Syriens. Auch acht Wochen nach der Katastrophe ist Hilfe vor Ort dringend nötig. Das THW unterstützt weiter tatkräftig, auch Privatpersonen sehen sich in der Pflicht zu helfen.

Frankfurt a.M. (epd). Das Technische Hilfswerk (THW) packt auch noch Wochen nach dem Erdbeben in der Türkei und in Syrien unterstützend an. „Wir bringen Zelte, Schlafsäcke und Isomatten in die Türkei und nach Syrien“, sagte Maren Jaschke, Referentin der Arbeitsgruppe Ausland des THW, dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Materialien, die zur Unterbringung in kalten Temperaturen benötigt werden.“ Auch in diesen Tagen seien weitere Hilfsgüter, wie etwa Stromerzeuger, unterwegs. Insgesamt seien vom THW seit dem ersten Beben am 6. Februar mehr als 300 Tonnen Hilfsgüter auf Lkws in die Regionen geliefert worden oder seien gerade auf dem Weg dorthin.

„Das hilft nachhaltig“

Derzeit seien Einsatzkräfte des THW-Teams „Wasser, Sanitär und Hygiene“ vor Ort, um Wasseraufbereitungsanlagen in der türkischen Region Hatay zu installieren und Mitarbeiter der örtlichen Versorger zu schulen. Die Anlagen sollen die Wasserversorgung der Bürger, die nach dem Einsturz ihrer Häuser in Camps leben, verbessern und die Ausbreitung von Krankheiten wegen mangelnder Hygiene verhindern. „Das hilft nachhaltig“, sagt Jaschke. „Bei kommenden Katastrophen, die hoffentlich nie eintreten werden, kann der Wasserversorger die Engpässe selbst überbrücken.“

„Bald wird die Phase des Wiederaufbaus anstehen“, sagte Jaschke. Aktuell unterstützt das THW vor Ort Teams der Vereinten Nationen. „Dort wird auf jeden Fall noch sehr viel Unterstützung benötigt.“ Jaschke berichtet auch von Privatpersonen aus Deutschland, die sich aus eigener Initiative den Einsatzkräften vor Ort angeschlossen haben und ihnen als Übersetzer dienen.

Auch der Oberarzt aus dem Alexianer Klinikum in Krefeld, Mehmet Antakyali, flog in die Region, um zu helfen. Mit 1.000 Kilogramm Gepäck machte er sich auf den Weg in die Türkei. Gemeinsam mit einer Gruppe von Medizinern, darunter seinem Bruder, reiste Antakyali nach Adana, einige Kilometer vom Epizentrum des Erdbebens entfernt.

Hilfseinsatz nur mit behördlicher Genehmigung

Die Kosten für den Gepäcktransport erließ ihnen die Airline. Die Gruppe um den 51-jährigen Mediziner hatte gespendete Medikamente und weitere Hilfsgüter gesammelt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten bei der Ankunft in Adana half schließlich das türkische Militär beim Umladen der Hilfsgüter in einen Bus. Straßenschäden und Militärblockaden erschwerten die Fahrt nach Antakya, einer zerstörten Stadt nahe der Grenze zu Syrien.

Vor Ort versuchte Antakyali, eine Erlaubnis für seinen geplanten Hilfseinsatz zu bekommen. „Vom Parlamentsabgeordneten bis hin zum Gouverneur hatte ich gefühlt Hunderte Menschen am Telefon.“ Helfen sei ohne Genehmigung nicht möglich gewesen. Antakyali sah das ein, denn: „Teilweise sind Häuser weiter eingestürzt, wenn Helfer zum Bergen hineingegangen sind. Viele hatten keine Ahnung, was sie da tun, obwohl sie es natürlich nur gut meinten.“

Hilfe fand Antakyali auf einer Militärbasis. Die Soldaten bauten eigens für Antakyalis Gruppe Zelte auf. Mit dem Begleitschutz von Soldaten halfen sie an den darauf folgenden Tagen in den Dörfern rund um die Grenze zu Syrien. „Da haben wir einfach losgelegt“, berichtet Antakyali. Die Menschen seien durch die Naturkatastrophe vom Gesundheitssystem abgeschnitten. Die Ärzte aus Deutschland konnten Menschen, die auf Insulin oder Blutverdünner angewiesen seien, versorgen. Manchmal habe es schon geholfen, gemeinsam mit den Menschen zu weinen. „Es gibt Personen, die haben alles verloren. Die hält fast nichts mehr am Leben“, sagt Antakyali.

Hunderte Menschen mobilisiert

Auch Kadir Erdogan, Vorstandsmitglied des Türkischen Kultur- und Bildungsvereins in Raunheim bei Frankfurt am Main, wollte in Deutschland nicht untätig sein. „Das Ausmaß der Katastrophe wurde uns am Morgen nach dem Ausbruch gar nicht bewusst“, sagt Erdogan. Als am Nachmittag erste Anrufe von Verwandten aus der Türkei kamen, habe der 51-Jährige gemeinsam mit weiteren Vereinsmitgliedern sofort Hilfsgüter besorgt. Ein Aufruf auf Facebook mobilisierte Hunderte Menschen ins Vereinsheim.

„Die meisten dieser Leute habe ich noch nie gesehen. Das waren Fremde, die aus der ganzen Region zu uns strömten, um zu helfen“, erklärt Erdogan. Die Spenden kamen in Plastiksäcken, mussten sortiert und in Kartons gepackt werden. Bis zwei Uhr nachts wurden in Raunheim drei LKWs beladen und dann am Frankfurter Flughafen in die Türkei abgefertigt. Der Verein wurde zur Anlaufstelle für alle Hilfswilligen, erläutert Erdogan. „Jacken, Winterschuhe und Spielzeuge konnten wir gebrauchen. Anderes, wie zum Beispiel Abendkleider, haben wir aussortiert.“

„Wir rufen weiter zu Geldspenden auf“, sagt das Vorstandsmitglied des Kultur- und Bildungsvereins. Die Stadtverwaltung habe ein Spendenkonto eröffnet. „Unsere Almosen aus dem Ramadan lassen wir den Erdbebenopfern zukommen.“ Im Ramadan ist es üblich, eine sogenannte Armensteuer, auch Almosen genannt, an Bedürftige zu geben.

„Viele unserer Freunde und Nachbarn haben Familienmitglieder verloren“, sagt Erdogan. Vereinsmitglieder, die in die Region gereist sind, sagten nach ihrer Rückkehr, der Wiederaufbau werde sehr viel Zeit brauchen. Doch die meisten hätten wieder ihre Zuversicht gefunden, beobachtet Erdogan. „Das Leben muss weitergehen.“

Luca Kissel