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Obdachlosigkeit

"Mich hat der Kältebus schon manches Mal gerettet"




Der Kältebus der Johanniter in Bremen im Einsatz
epd-bild/Matthias Dembski
Sie versorgen wohnungslose Menschen nicht nur mit warmen Getränken, Mahlzeiten und winterfester Kleidung. Sie schenken ihnen auch soziale Wärme, Herzlichkeit und Respekt: In diesen Wochen sind vielerorts die "Kälteengel" der Johanniter unterwegs.

Bremen (epd). Die Gästeschlange bildet sich sofort, als der Kältebus der Johanniter in Sicht kommt und auf dem Bremer Bahnhofsvorplatz einparkt. Mittwochs, freitags und sonntags jeweils ab 19 Uhr sind Ehrenamtliche der Hilfsorganisation hier für Menschen da, die sich über eine warme Suppe und warme Kleidung freuen - bei jedem Wetter. Heute ist es nasskalt, aber immerhin hat es aufgehört zu regnen. Klapptische für die Essensausgabe werden aufgebaut, Suppenkessel und Heißwasserspender bereitgestellt.

Nebenan öffnen Birgit Cordes und Martina Schmidt-Uhlhorn die Türen eines zweiten Transporters, in dem sich große, beschriftete Plastikkisten mit Kleidung stapeln. Handschuhe, Mützen, warme Pullover, Hosen und vor allem winterfeste Anoraks und Schuhe sind gefragt. Vier Ehrenamtliche sind im Einsatz, alles läuft wie am Schnürchen. „Wir haben eingespielte Teams, jeder weiß, was zu tun ist“, sagt Teamleiterin Karin Stelljes, seit vier Jahren beim Kältebus aktiv.

Anlaufpunkt für Bedürftige seit 2012

Die Initiative wurde 2012 als Anlaufpunkt für wohnungslose Menschen ins Leben gerufen. Mittlerweile engagieren sich mehr als 25 Johanniterinnen und Johanniter in Bremen ehrenamtlich in der Kältehilfe. Menschen in Not finden hier nicht nur eine warme Suppe, sondern auch immer ein offenes Ohr für ihre Sorgen und Nöte.

Ähnliche mobile Initiativen gibt es in Hannover und in Oldenburg. In Bochum sind „Kälteengel“ der Johanniter unterwegs, in Aachen Kältehelfer und in Berlin eine Kältehilfe, die mit einem Platz zum Aufwärmen, warmen Mahlzeiten und medizinischer Versorgung unterstützt. „Obdachlose leiden stark unter dem harten Winter - tagsüber fehlen ihnen warme Orte zum Aufhalten“, sagt Dietrich Heuer, Leiter einer Johanniter-Notunterkunft in der Bundeshauptstadt.

„Die sind immer für uns da“

Abends dann ist es noch ungemütlicher - und die Schlange vor dem Kältebus in Bremen wird länger. Von den Gästen hier sind viele wohnungslos oder auf Sozialleistungen angewiesen. Die Stimmung ist freundlich und friedlich. „Mich hat der Kältebus im Winter schon manches Mal gerettet“, ruft einer der Wartenden. „Die sind immer für uns da.“

Ein Ehepaar, das sich gerade eine warme Suppe geholt hat, erzählt von seiner Wohnsituation. „Ich sitze im Rollstuhl, die Wohnung im Hochparterre ist nicht barrierefrei, und wir kriegen die ganze Kälte vom nicht isolierten Keller ab“, sagt die Frau. „Wenn man dagegen anheizt, kommt im Frühjahr die dicke Rechnung, von der wir nicht wissen, wie wir die noch bezahlen sollen.“ Schon jetzt sei ihr Monatsbudget angesichts der Inflation viel zu knapp.

So geht es vielen Gästen. Eine Frau, die Stammgast ist, rollt mit ihrem Elektromobil an den Tisch mit den Heißgetränken. „Möchtest du noch einen Kaffee?“, fragt Karin Stelljes. „Nein, aber habt ihr Hundefutter dabei?“ Johanniter Stefan Lehnert hat sofort eine abgefüllte Plastiktüte parat. Der Hund, der unter einer Decke auf dem Elektromobil liegt, reckt gleich den Kopf raus.

Inflation lässt Nachfrage steigen

Die Nachfrage beim Kältebus steigt, weil die Inflation für Menschen in Armut immer stärker spürbar wird, beobachtet Karin Stelljes. „Kamen früher pro Abend vielleicht 60 Gäste, sind es jetzt bis zu 150, und sie werden immer jünger.“ Gleichzeitig werde es schwieriger, Spenden zu organisieren. Deshalb freuen sich die Johanniter, dass Kirche und Diakonie in Bremen den Kältebus als „Ort der Wärme“ in diesem Winter mit 7.000 Euro fördern.

„Wir werden von immer mehr Menschen gebraucht, die ins Elend abrutschen“, sagt Stelljes. Deshalb möchten die Johanniter einen weiteren Tag mit dem Kältebus am Bremer Hauptbahnhof organisieren, vielleicht den Montag. Diesmal sind gegen 20 Uhr alle Besucherinnen und Besucher versorgt. Stelljes sagt: „Für sie ist es meist die letzte warme Mahlzeit, bevor sie in die kalte Nacht gehen.“ Und auch im Sommer werde wohl weiter gefahren: „Die Menschen haben ja nicht nur im Winter Hunger.“

Matthias Dembski, Dieter Sell