Berlin (epd). Das Zusammenleben von Einwohnern verschiedener Herkunft wird in Deutschland überwiegend positiv bewertet, und zwar von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Das Integrationsklima habe sich trotz des Zuzugs Hunderttausender Ukrainer und der aktuellen Krisen seit der letzten Erhebung leicht verbessert, berichtete der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) am 14. Dezember in Berlin. Die SVR-Vorsitzende Petra Bendel bilanzierte: „Die deutsche Einwanderungsgesellschaft beweist sich erneut als integrationserfahren und krisenresistent.“
Die Sachverständigen legten das Integrationsbarometer mit dem Integrationsklima-Index zum vierten Mal vor. Es misst die Alltagserfahrungen und Einstellungen von Menschen auf der Basis von Interviews und fasst sie in einem Wert zwischen 0 und 100 zusammen. Danach hat sich der Index weiter positiv entwickelt und ist in den beiden vergangenen Jahren von 66,3 auf 68,5 Punkte gestiegen. Die Studie liefert repräsentative Ergebnisse auf Basis von Befragungen.
90 Prozent aller Befragten bewerteten persönliche Kontakte zu Menschen unterschiedlicher Herkunft als positiv. Unter den verschiedenen Bevölkerungsgruppen gibt es geringfügige Abweichungen. So bewerten Menschen aus Nicht-EU-Ländern das Integrationsklima in Deutschland besonders positiv, gefolgt von EU-Bürgern und Spätaussiedlern. Die niedrigsten Werte finden sich bei Einwanderern aus der Türkei und der Gruppe ohne Migrationshintergrund.
Eine Gleichbehandlung aller Bevölkerungsgruppen sehen viele aber nicht. Ein Drittel der Befragten glaubt nicht, dass Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund bei gleicher Leistung auch gleich benotet werden. Mehr als die Hälfte der Befragten sagt, Menschen mit Migrationshintergrund hätten auch bei gleicher Qualifikationen nicht die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Besonders skeptisch sind auch in diesem Punkt die türkeistämmigen Befragten und Einwohner ohne Migrationshintergrund. Unter ihnen sehen zwei Drittel keine Gleichbehandlung auf dem Arbeitsmarkt.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, wertete es als ermutigend, dass Einwanderung und gesellschaftliche Vielfalt in Deutschland als Normalfall angesehen würden. Doch hätten die Menschen auch ein feines Gespür für Diskriminierungen. Die Bundesregierung setze dagegen unter anderem auf mehr Einbürgerungen, erklärte Alabali-Radovan mit Blick auf den kürzlich vorgelegten Gesetzentwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), der Einbürgerungen beschleunigen soll.
Dem Integrationsbarometer zufolge nehmen eingebürgerte Einwanderer ihr Wahlrecht aber seltener wahr und engagieren sich seltener gesellschaftlich und politisch als Menschen ohne Migrationshintergrund. Gleichwohl halten neun von zehn Befragten unabhängig von ihrer Herkunft grundlegende Prinzipien der Demokratie wie Rechtsstaatlichkeit und Minderheitenschutz für zentral.
Befragt wurden für das aktuelle Integrationsbarometer 15.005 Personen, 8.005 Menschen ohne und 7.000 Menschen mit Migrationshintergrund. Die Interviews fanden von November 2021 bis Juli 2022 statt. Die Studie wird zu gleichen Teilen vom Bund und den Ländern gefördert. Der Integrations-Sachverständigenrat ist unabhängig und - wie etwa auch die Wirtschaftsweisen - eines von fünf Gremien dieser Art, die Daten liefern und mit ihrer Expertise die Regierung beraten. Das Integrationsbarometer wird alle zwei Jahre veröffentlicht. Bis Ende 2020 wurde der Sachverständigenrat von Stiftungen getragen, seit 2021 wird er vom Bundesinnenministerium gefördert.