

Bonn (epd). Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist für Menschen mit Behinderung einer Studie zufolge widersprüchlich. Zwar sinken die Arbeitslosenquoten, es verschärft sich aber die Langzeitarbeitslosigkeit, wie aus dem am 30. November in Bonn veröffentlichten Inklusionsbarometer Arbeit der Aktion Mensch und des Handelsblatt Research Instituts hervorgeht. Danach war fast die Hälfte (47 Prozent) aller im Jahr 2021 als arbeitslos gemeldeten Menschen mit Behinderung mindestens ein Jahr ohne Beschäftigung - eine Steigerung von mehr als fünf Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr, als die Quote bei 41,2 Prozent lag.
„Erholung und Fortschritt der Inklusion auf dem Arbeitsmarkt scheitern insbesondere an der Beschäftigungsbereitschaft der Unternehmen“, heißt es in der mittlerweile zehnten Erhebung des Handelsblatt Research Institutes im Auftrag der Aktion Mensch. Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitsplätzen sind gesetzlich dazu aufgefordert, mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze an Menschen mit Behinderung zu vergeben. In der Praxis beschäftige aber ein Viertel der rund 173.000 Betriebe keinen einzigen behinderten Menschen, sondern zahle stattdessen eine sogenannte Ausgleichsabgabe.
Bestehende Arbeitsverhältnisse erweisen sich für Menschen mit Handicap als relativ stabil. So wurde im Jahr 2021 laut Inklusionsbarometer 19.746 angestellten Behinderten gekündigt - nach den Angaben so wenigen wie noch nie in den vergangenen zehn Jahren.
Wenn Menschen mit Behinderung allerdings ihren Job verlieren, fällt die Rückkehr in den Arbeitsmarkt sehr schwer: Lediglich drei Prozent von ihnen gelang dies im vergangenen Jahr. Bei Menschen ohne Behinderung waren es sieben Prozent. „Arbeitslose ohne Behinderung haben folglich eine mehr als doppelt so hohe Chance, eine Anstellung zu finden als Arbeitslose mit Behinderung“, erklären die Studienautoren.
„Der erneut gestiegene Anteil an langzeitarbeitslosen Menschen mit Behinderung ist alarmierend“, mahnte Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch. Die Inklusionsbemühungen müssten daher deutlich verstärkt werden.
Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt Research Institutes, sprach von einem Rückstau bei den Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, von denen insbesondere Langzeitarbeitslose profitieren könnten. Viele Maßnahmen seien in den vergangenen Jahren aufgrund der Pandemie ausgefallen, erklärte er. Die durch den russischen Überfall auf die Ukraine ausgelöste Energiepreiskrise lasse einen Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Leistung erwarten. Menschen mit Behinderung, die einmal in der Arbeitslosigkeit seien, spürten die negativen Auswirkungen von Wirtschaftskrisen länger als Menschen ohne Behinderung. „Daher sollte alles getan werden, um Entlassungen zu vermeiden.“
Die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderung lag nach den Angaben im Jahr 2021 bei 11,5 Prozent (2020: 11,8 Prozent). Die allgemeine Arbeitslosenquote sank im selben Zeitraum bundesweit von 5,9 auf 5,7 Prozent.
Seit 2013 erstellt das Handelsblatt Research Institute in Kooperation mit der Aktion Mensch jährlich das Inklusionsbarometer Arbeit. Basierend auf Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Integrationsämter werden Indikatoren ausgewertet, die über den aktuellen Grad der Inklusion von Menschen mit Schwerbehinderung in den ersten Arbeitsmarkt Auskunft geben sollen, neben Beschäftigungs- und Arbeitslosenquoten ist dies etwa die Dauer der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter. Die Analyse wird durch eine repräsentative Online-Umfrage unter 800 abhängig beschäftigten Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung ergänzt sowie durch eine telefonische Umfrage unter Personalverantwortlichen von 500 Unternehmen, die Menschen mit einer anerkannten Schwerbehinderung beschäftigen.