sozial-Politik

Wohnungsbau

Bündnis will mehr Tempo bei neuen Immobilien erreichen




Hochhaus in Berlin
epd-bild/Jürgen Blume
In Deutschland soll mehr und schneller gebaut werden, um dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum zu begegnen. Die Bundesregierung hält an ihrem Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr fest - die Realität sei aber eine andere, sagen Kritiker.

Berlin (epd). Die Bundesregierung will trotz der zunehmend schwierigen Bedingungen beim Wohnungsbau mehr Wohnraum schaffen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am 12. Oktober in Berlin, die Ampel-Koalition halte an ihrem Ziel fest, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen, davon 100.000 Sozialwohnungen. Es sei gerade in schwierigen Zeiten wichtig, dieses Ziel erreichen zu wollen. Denn es habe sich nichts geändert am Bedarf der Bevölkerung an bezahlbaren Wohnungen, sagte der Kanzler.

Scholz stellte gemeinsam mit Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) die Vereinbarungen des „Bündnisses bezahlbarer Wohnraum“ vor. Geywitz nannte den Katalog zur Beschleunigung des Wohnungsbaus „ein Paket, das Gewicht hat“. Die Vereinbarungen seien ein wichtiger Zwischenschritt, das Ziel sei aber erst erreicht, wenn die Baukapazitäten so erhöht worden seien, dass 400.000 Wohnungen im Jahr gebaut werden könnten.

Kritik von Opposition und Mieterbund

Für das Bündnis hat Geywitz Vertreterinnen und Vertreter der Bundesländer und Kommunen, der Wohnungs- und Bauwirtschaft, der Sozialverbände, Umweltverbände, Gewerkschaften, Kirchen und zivilgesellschaftlicher Organisationen an den Tisch geholt. Der Mieterbund und die Union kritisierten die Ergebnisse.

Zu den „Maßnahmen für eine Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive“ zählen Vorhaben, die die Baukosten reduzieren, wie beispielsweise Bauen mit Fertigteilen. Das Aufstocken von Häusern soll mehr Wohnraum schaffen, ohne neue Flächen zu erschließen. Anträge und Genehmigungsverfahren sollen vereinfacht und stärker digitalisiert werden. Der Wohnungsbau soll gleichzeitig den Klimaschutzanforderungen genügen, da bis 2030 die Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor fast halbiert werden müssen. Außerdem will Geywitz ein Kreditprogramm für Familien auflegen, die bauen wollen.

Bund erhöht Fördergelder

Seine Förderung für den Sozialwohnungsbau hatte der Bund bereits im Frühjahr erhöht, auf 14,5 Milliarden Euro bis 2026 statt der zunächst vorgesehenen vier Milliarden Euro bis 2025. Im vergangenen Jahr entstanden nur knapp 21.500 neue Sozialwohnungen, gleichzeitig sank der Bestand um 27.000 Wohnungen auf bundesweit 1,1 Millionen Sozialwohnungen. In den zurückliegenden 15 Jahren hat sich die Zahl der Sozialwohnungen fast halbiert. Insgesamt waren im vergangenen Jahr rund 293.000 Wohnungen fertiggestellt worden, gegenüber 2020 war das ein Rückgang um rund vier Prozent.

Aktuell verlangsamt sich der Wohnungsbau weiter. Dem Münchner Ifo-Institut zufolge sind die Stornierungen im September auf fast 17 Prozent gestiegen, nach gut elf Prozent im August. Gründe seien die explodierenden Preise für Material und Energie, steigende Kreditzinsen und Lieferengpässe.

Mieterbund: Meilenweit vom Ziel entfernt

Der Deutsche Mieterbund rechnet nicht damit, dass die Wohnungsbauziele erreicht werden. „Wir sind meilenweit vom Ziel der Bundesregierung entfernt, in diesem Jahr 400.000 Wohnungen zu bauen“, sagte Mieterbund-Präsident Lukas Siebenkotten den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Im Gegenteil. Ich gehe davon aus, dass wir weniger als 300.000 Wohnungen bauen werden.“

Die Union kritisierte den Maßnahmenkatalog des Bündnisses als „gute Vorsätze und Prüfaufträge“. Der bau- und wohnungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Jan-Marco Luczak (CDU), erklärte: „Ziele zu formulieren, ist noch keine Politik.“ Die Neubauzahlen brächen angesichts explodierender Preise für Energie, des Fachkräftemangels und des „Förderchaos'“ im Wohnungsbau aktuell ein. Dennoch habe das Bündnis bezahlbarer Wohnraum lediglich „den Koalitionsvertrag durchdekliniert, als sei nichts geschehen.“

Linke fordert bundesweiten Mietendeckel

Janine Wissler, Vorsitzende der Linkspartei, sagte, die vom Bündnis vorgestellten Maßnahmen würden nichts an den drastisch steigenden Mieten ändern. „Bauen allein ist keine Lösung, denn es werden vor allem Luxuswohnungen gebaut, weil damit richtig Geld verdient werden kann.“ Gebraucht würden 250.000 zusätzliche Sozialwohnungen pro Jahr durch Neubau und Ankauf, die dauerhaft bezahlbar blieben. Außerdem forderte Wissler einen bundesweiten Mietendeckel, also ein Stopp für Mieterhöhungen und eine Obergrenze für Mieten.

Ähnlich äußerte sich auch die Gewerkschaft ver.di. Es fehle an Maßnahmen, die den bisherigen Anstieg der Mieten beenden, sagte die stellvertretende Vorsitzende Christine Behle. „Wir sind überzeugt, dass sich die steigenden Mieten ohne eine strikte Regulierung der Mietpreise nicht wirksam ausbremsen lassen. Daher setzt sich ver.di für die Einführung eines bundesweiten Mietendeckels ein.“ Behle verwies zudem darauf, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Berliner Mietendeckel die Möglichkeit eines Bundes-Mietendeckels offengelassen habe.

VdK: Mehr barrierefreie Wohnungen errichten

Auf das Fehlen von barrierefreien Wohnungen verwies der VdK. „Das muss sich ändern. Die Zeit ist reif, dass die Politik endlich den Bedarf an barrierefreiem Wohnraum richtig einschätzt und danach handelt“, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Es greife viel zu kurz, einfach die Rollstühle im Land zu zählen. Barrierefreiheit benötigten auch alle älteren Menschen sowie Pflegebedürftige und all jene, die zum Beispiel keine Treppen steigen könnten. „Laut Einschätzung der KfW brauchen wir bis 2030 rund 3,5 Millionen barrierefreie Wohnungen“.

Der Schlüssel zu mehr Barrierefreiheit sei der Neubau, so Bentele: „Wir fordern, dass jede neue Wohnung so gebaut werden muss, dass sie problemlos komplett barrierefrei gemacht werden kann.“

Bettina Markmeyer, Dirk Baas