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Gesundheit

Gastbeitrag

Gesundheitskioske: Wohnortnahe Versorgung für alle




Heike Prestin
epd-bild/Hermann Bredehorst/Diakonie
Wenn es so kommt, wie Gesundheitsminister Lauterbach plant, entstehen flächendeckend Gesundheitskioske, um die Versorgung von Patienten möglich niedrigschwellig anzubieten. Der DBfK Nordost begrüßt den Ansatz und sieht vor allem ein künftiges Arbeitsfeld für "Community Health Nurses". Wie diese Fachkräfte künftig zum Einsatz kommen könnten, erläutert Geschäftsführerin Heike Presitin in ihrem Gastbeitrag.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat Ende August Eckpunkte vorgestellt, die zeigen, wie Gesundheitskioske in Deutschland eingeführt werden können. Als Berufsverband für Pflegeberufe begrüßen wir dieses Konzept, weil es die Chance bietet, die Gesundheitsversorgung insbesondere in strukturschwachen Regionen zu verbessern. Mit der Etablierung von Gesundheitskiosken wird darüber hinaus das Potenzial der professionellen Pflege zum Erhalt und Verbesserung der Gesundheit in der Bevölkerung genutzt.

Die Frage nach der Notwendigkeit von Reformen im Gesundheitswesen stellt sich angesichts der bereits vorhandenen Strukturen. Das Gesundheits-und Pflegesystem in Deutschland ist in den zurückliegenden Jahrzehnten so unübersichtlich geworden, dass viele Menschen längst nicht alle ihnen zustehenden Leistungen in Anspruch nehmen. Dazu kommt die demographische Entwicklung, also die Alterung der Gesellschaft, in der sowohl Digitalität als auch regionale Erreichbarkeit eine wichtige Rolle spielen. Die Gesundheitskioske haben vor allem eine Lotsenfunktion, stützen jedoch aber auch maßgeblich die Primärversorgung.

Solche Einrichtungen müssen wohnortnah liegen und die Bedarfe der Patientinnen und Patienten sollen im Mittelpunkt stehen. Wichtig ist auch, dass nicht einfach neue Strukturen neben die vorhandenen gestellt werden, sondern eine patientenorientierte Kooperation aller Akteure im Gesundheitswesen erreicht wird. Patienten sollen einen Ort haben, wo sie schnell und kompetent Behandlung und Betreuung erfahren.

Ein Ort für Community Health Nursing

Die akademische Professionalisierung des Pflegeberufes ist eine Entwicklung, die in Deutschland schon vor Jahrzehnten begonnen und immer wieder vor allem durch den Widerstand von Medizinern behindert wurde. Während es in anderen Ländern völlig selbstverständlich ist, dass Pflege eine eigene Profession mit unterschiedlichen Qualifikationsgraden darstellt, wird sie in Deutschland häufig nur in ihrer Rolle als Assistenz für andere Berufe im Gesundheitswesen wahrgenommen. Entsprechend schlecht ist das berufliche Image, die Bezahlung und die Anerkennung für professionelle Pflegekräfte in der Gesellschaft.

Community Health Nursing als Spezialisierung des Pflegeberufes wird derzeit in Deutschland an drei Hochschulen auf Masterniveau ausgebildet. Auch andere pflegerische Qualifikationen werden noch selten, aber doch zunehmend auf Masterniveau angeboten. Umso wichtiger ist es, den Absolventinnen und Absolventen konkrete berufliche Perspektiven, wie beispielsweise den Einsatz in Gesundheitskiosken oder anderen Gesundheitseinrichtungen der Primärversorgung, anzubieten - und das entsprechend ihres Qualifikationsniveaus. In einigen Kommunen bestehen bereits Primärversorgungszentren, die mit Community Health Nurses arbeiten.

Weit mehr als „Gemeindeschwestern“ alter Schule

Community Health Nurses sind mehr als „Gemeindeschwestern“. Wegen des Fehlens einer treffenden Übersetzung dieser Qualifikation wird bis heute stattdessen die englische Formulierung genutzt. Es dabei wichtig zu betonen, dass Community Health Nurses eigenständig in der Gesundheitsversorgung tätig sind. In der Praxis gestaltet sich hierbei die Zusammenarbeit mit den ärztlichen und therapeutischen Kollegen auf Augenhöhe - und nicht in einem hierarchischen, patriarchal geprägten Weisungssystem, wie es bisher in Deutschland leider Tradition hat.

Zur Gesundheitsversorgung zählt viel mehr als ein Besuch beim Hausarzt, eine Diagnose und die Vergabe eines Medikamentes. Deshalb umfasst Gesundheitsversorgung auch sehr viel mehr als ärztliche Behandlung. Die Veranlassung und Umsetzung dieser Maßnahmen sind auch Aufgabe einer Community Health Nurse, die vor allem ein breites Beratungsangebot, etwa zu den Bereichen Gesundheitskompetenz, Partizipation und Teilhabe bereitstellt.

Der Fokus von Community Health Nursing liegt also bewusst auf der Gesundheitsförderung und der Prävention. Wichtig ist vor allem die kontinuierliche Begleitung von chronisch kranken Menschen. Weitere Leistungen sind unter anderem die kontinuierliche Feststellung des Gesundheitszustandes und individuelle Beratung zum Umgang mit der jeweiligen Erkrankung, wie beispielsweise Diabetes mellitus, dem verbundenen Selbstmanagement, der Alltagsbewältigung und dem frühzeitigen Erkennen von Komplikationen.

Ampel will Berufsbild voranbringen

Die Ampel-Koalition hat ihre Bereitschaft zur Einführung der Community Health Nurse deutlich im Koalitionsvertrag formuliert: „Professionelle Pflege ergänzen wir durch heilkundliche Tätigkeiten und schaffen u. a. das neue Berufsbild der “Community Health Nurse". Heilkundliche Tätigkeiten können unseres Erachtens sehr gut in einem Gesundheitskiosk erbracht werden. Es ist unabdingbar, dass Pflegefachpersonen klar definierte Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten übernehmen, damit eine gute und koordinierte Versorgung der Patienten möglich wird. Weiterhin ist es folgerichtig, dass professionell Pflegende in den Gesundheitskiosken als Leitungspersonen eingesetzt werden.

Vielerorts entstehen Gesundheitszentren, teilweise in kommunaler Trägerschaft. Zu klären ist, wie sich diese zu den Gesundheitskiosken verhalten und wie bestehende Strukturen, beispielsweise Pflegestützpunkte, Medizinische Versorgungszentren und auch ambulante Pflegedienste mit den Gesundheitskiosken zusammenarbeiten können.

Grundsätzlich sollten die Interessen der Nutzerinnen und Nutzer solcher Einrichtungen im Vordergrund stehen. Das bedeutet vor allem, dass die Strukturen überschaubar und erreichbar sind. Eine gute Versorgung muss zudem eine aufsuchende Versorgung anbieten. Dazu gehört die aktive Kontaktaufnahme mit potentieller Nutzer.

Heike Prestin ist Geschäftsführerin im Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) Nordost.