Düsseldorf (epd). Mit der Studie der Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung Bremen (GISS) im Auftrag des NRW-Sozialministeriums wurde nun erstmalig ermittelt, dass „nach vorsichtigen Schätzungen“ hochgerechnet auf NRW knapp 5.300 Menschen im Zeitraum Juni/Juli 2021 ohne eigene Wohnung auf der Straße oder in Behelfsunterkünften lebten, wie Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) am 4. April in Düsseldorf erklärte. Das seien dreieinhalb so viel wie die offizielle Statistik zum 30. Juni 2020 auswies.
Im Juni des vergangenen Jahres waren in Dortmund, Köln, Münster und Remscheid sowie in den Kreisen Lippe und Wesel und in 36 Fachberatungsstellen im Land rund 1.800 betroffene Menschen anonym befragt worden. Durch die GISS-Erhebung habe sich herausgestellt, dass 60 Prozent der befragten wohnungslosen Personen ohne jegliche Unterkunft und damit obdachlos waren. Knapp über 40 Prozent waren verdeckt wohnungslos, konnten also bei Bekannten oder Freunden zumindest zeitweise unterkommen. In absoluten Zahlen konnten Angaben von 1.069 Personen ohne Unterkunft und von 732 verdeckt wohnungslosen Personen ausgewertet werden, wie es hieß.
Von den Betroffenen, die laut Erhebung angaben, obdachlos zu sein, sind die meisten (82 Prozent) Männer, wie die GISS-Geschäftsführerin Jutta Henke erklärte. Ein Großteil von ihnen (73 Prozent) leider unter psychischen oder Suchtproblemen. Angesichts der schlechten körperlichen Verfassung Wohnungsloser oder Obdachloser komme gesundheitlichen Aspekten eine zentrale Bedeutung bei der Bekämpfung der Wohnungslosigkeit zu.
Körperliche Erkrankungen waren bei Personen ohne Unterkunft mit 42 Prozent deutlich häufiger als bei verdeckt Wohnungslosen mit einem Anteil von 30 Prozent, wie die Studie erläutert. Der Anteil der Personen ohne Unterkunft, die sich selbst als suchtkrank bezeichneten, war mit 49 Prozent nochmals sehr viel höher als bei den verdeckt Wohnungslosen (30 Prozent). Und mehr als 70 Prozent der Suchtkranken ohne Unterkunft waren nicht in ärztlicher Behandlung.
Vor dem Verlust der Wohnung hatten weniger als die Hälfte der Betroffenen (42 Prozent) keinerlei Hilfe von Behörden gesucht. Gleichwohl wurde häufig der Wunsch nach Unterstützung bei der Wohnungssuche geäußert. Allerdings ergab die Befragung auch, dass Vorbehalte gegen eine Gemeinschaftsunterbringung bestehen. Fehlende Privatsphäre, Angst vor Gewalt und mangelnde Hygiene wurden als Gründe genannt.
Für die Landesinitiative „Endlich ein Zuhause“ zur Bekämpfung der Wohnungslosigkeit seien die Mittel aufgestockt worden, hieß es. 2018 waren noch 1,85 Millionen Euro vorgesehen. Aufgrund zusätzlicher Fördermittel der EU stehen im Jahr 2022 insgesamt rund 14 Millionen Euro zur Verfügung. Zentraler Baustein der Landesinitiative sind zudem die "Kümmerer”-Projekte. Mit ihrer Hilfe haben knapp 3.500 Menschen ein neues Zuhause gefunden, darunter waren rund 100 Menschen, die zuvor auf der Straße lebten.