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Familie

"Die 'Bravo' der 80er und 90er Jahre ist das TikTok von heute"




Cornelia Holsten
epd-bild/Tristan Vankann/fotoetage
Eltern begegnen der digitalen Mediennutzung ihrer Kinder oft mit Skepsis. Denn die Internetnutzung ist nicht ohne Gefahren für ihre Kinder. Was Eltern tun können, erklärt Medienexpertin Cornelia Holsten im Interview.

Bremen (epd). Im Internet gibt es neben Informationen und guter Unterhaltung auch eine Menge jugendgefährdender Inhalte. Deshalb sind Eltern in Sorge, wenn ihre Kinder sich unkontrolliert im Netz bewegen. Seit mehr als zehn Jahren klären deshalb Experten im Auftrag der Bremischen Landesmedienanstalt Eltern über Chancen und Risiken auf. „Das Allerwichtigste ist, neugierig zu bleiben,“ rät die Direktorin der Landesmedienanstalt, Cornelia Holsten, den Erziehenden im Interview des Evangelischen Pressedienstes (epd). Mit ihr sprach Dieter Sell.

epd sozial: Frau Holsten, die Elternabende zur digitalen Medienkompetenz sind ein echter Dauerbrenner. Woran liegt das?

Cornelia Holsten: Zwischen Eltern und ihren Kindern liegen ja in der Regel mindestens 20 Jahre. Online ist das eine Ewigkeit. Als wir angefangen haben, uns digital zu bewegen, hat das Internet mit den Akustik-Kopplern noch komische Geräusche gemacht. Dann gab es zu Hause plötzlich Router und WLAN. Egal, was Sie nehmen: I-Phone, Netflix, TikTok - nichts davon gab es, als die heutigen Eltern geboren wurden. Ständig kommen neue Trends dazu, die sie verunsichern. Das wirft eine Menge Fragen auf.

epd: In vielen Schulen sind mittlerweile Tablets angekommen. Das führt zu neuen Problemen, weil die Kids damit nicht nur arbeiten, sondern auch spielen wollen und ungemein kreativ sind, was die Überwindung von Sicherheitseinstellungen angeht. Was tun?

Holsten: Die Pandemie war ja in vielerlei Hinsicht ein Booster für die Digitalisierung, nicht nur für die Chancen, sondern auch für die Risiken. Und wir haben in Familien nicht nur die Situation, dass sich die nächste Generation besser auskennt, sondern wir haben auch Familien, in denen sich die Kinder ausschließlich auskennen. Da ist das Allerwichtigste, neugierig zu bleiben, in Kontakt zu bleiben, weil man die Kinder in der digitalen Medienwelt am besten begleiten kann, wenn man sich selber mit den Trends von heute vertraut macht. Die Konflikte zeigen aber auch überdeutlich, wie wichtig Angebote wie das Internet-ABC sind, die Lehrkräften und Eltern dabei helfen, diese Welt besser zu verstehen. Tatsächlich werden wir seit Monaten überrannt, was das Interesse an Materialien angeht.

epd: Und trotzdem gibt es bei den Elternabenden immer wieder Mütter und Väter, die davon berichten, dass ihre Kinder bis in den Morgen vor dem Tablet hängen und es schwer ist, Grenzen zu ziehen und durchzusetzen ...

Holsten: Ja, ich kenne Eltern, die ernsthaft den Router abends mit ins Bett nehmen, damit die Kinder nachts mal nicht online an der Konsole spielen. Einer der klassischen Elternreflexe, den wir beobachten ist: Oh, der tippt da so schnell, das geht alles so flott, ich kenn mich damit ja nicht aus. Und dann verliert man total den Anschluss an die Interessen des Kindes.

epd: Was raten Sie?

Holsten: Die „Bravo“ der 80er und 90er Jahre ist das TikTok von heute. Um das zu verstehen, wäre es schlau, sich das mal anzuschauen. Und eben nicht dem Impuls zu folgen: kenn ich nicht, mag ich nicht, brauch ich nicht. Und außerdem: Ich glaube auch, wenn Eltern ihren Nachwuchs fragen, kannst du mir das mal zeigen - das würde die Kinder bestimmt freuen.



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