Berlin (epd). Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs verlangt von der nächsten Bundesregierung ein Signal, dass sie ihre Arbeit über 2023 hinaus fortsetzen kann. In einem am 22. September in Berlin veröffentlichten Positionspapier appellieren die Kommissionsmitglieder an die Politik: „Enttäuschen Sie nicht das Vertrauen vieler Menschen“. Die Vorsitzende Sabine Andresen sagte, notwendig sei ein Bekenntnis der Politik, die Aufarbeitung auf Bundesebene fortführen und dafür stabile Strukturen schaffen zu wollen.
Die Laufzeit der Kommission müsse um mindestens fünf weitere Jahre verlängert und ihre Tätigkeit gesetzlich abgesichert werden. Zentral seien die Unabhängigkeit der Kommission und die Beteiligung von Betroffenen. Die Kommissionsmitglieder wünschten sich „deutlich mehr Rückendeckung“ von der Politik, sagte Andresen. Das Engagement dürfe nicht nachlassen, verlangt die Kommission in ihrem Papier, in dem sie der Politik auch bescheinigt, seit dem Runden Tisch sexueller Kindesmissbrauch 2010 einiges auf den Weg gebracht zu haben.
Die ehrenamtlich arbeitenden Mitglieder der Kommission sind 2016 auf der Grundlage eines Bundestags-Beschlusses vom Missbrauchsbeauftragten Johannes-Wilhelm Rörig berufen worden. Ihre Amtszeit wurde von der Bundesregierung Ende 2018 bereits einmal um fünf Jahre verlängert. Zuletzt stellte die Kommission eine Studie über das Ausmaß und die Folgen sexueller Gewalt gegen Kinder innerhalb der Familie vor. Für die nächste Zeit sind Andresen zufolge Erhebungen über Missbrauchserfahrungen im Spitzen- und Breitensport geplant sowie über den Umgang von Jugendämtern und Schulen mit Fällen sexueller Gewalt.
Zentral für die Aufarbeitung sind mündliche Anhörungen und schriftliche Berichte von Betroffenen. Bislang haben sich nach Angaben der Kommission mehr als 2.800 Menschen an das Gremium gewendet, das mit dem Slogan „Geschichten, die zählen“ die Bedeutung eines jeden einzelnen Falles betont.
Mit Blick auf die künftigen Koalitionsverhandlungen sagte Andresen, die Kommission hoffe, die Parteien für das Thema Aufarbeitung sensibilisieren zu können. In ihren Wahlprogrammen machten sie kaum Aussagen dazu. Die Frankfurter Erziehungswissenschaftlerin warnte, wenn die Politik das Interesse an dem Thema verliere, wäre dies „ein fatales Signal“ an die Betroffenen und für den Kinderschutz in Deutschland.