Berlin (epd). Der Einsatz von Kirchengemeinden für Flüchtlinge, die in einen anderen EU-Staat zurückgeschickt werden sollen, führt nur selten zu einem schnellen Bleiberecht für die Betroffenen in Deutschland. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervorgeht, endeten 2020 nur acht von mehr als 300 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gemeldeten Kirchenasylen mit der Entscheidung, dass die Betroffenen in Deutschland bleiben durften. Von Januar bis Ende Mai dieses Jahres wurde sieben Mal ein Härtefall anerkannt, wie das Bundesamt auf Anfrage des Evangelischen Pressedienst (epd) mitteilte. Bereits in den ersten fünf Monaten 2021 wurden demnach mehr als 300 Kirchenasyle gemeldet. Auf lange Sicht können die Betroffenen meist aber dennoch bleiben.
Kirchengemeinden gewähren abgelehnten Asylbewerbern Schutz, wenn sie der Auffassung sind, dass es sich um einen Härtefall handelt. Sie bitten mit dem Instrument die Behörden zur nochmaligen Überprüfung der Entscheidung. In der überwiegenden Zahl der Kirchenasylfälle handelte es sich in den vergangenen Jahren um Dublin-Fälle, also Fälle, in denen ein anderer EU-Staat für Aufnahme und Verfahren zuständig wäre. Auch aktuell sind Dublin-Fälle die Mehrheit im Kirchenasyl: 2020 hatten den Angaben zufolge nur 23 der insgesamt 358 Fälle keinen Dublin-Bezug, in den ersten fünf Monaten dieses Jahres laut Bamf 16 von insgesamt 337.
Die Regeln für das Kirchenasyl wurden vor diesem Hintergrund von den Innenministern verschärft. Die Quote der Anerkennungen ist seitdem stark zurückgegangen. Formell erfolgt diese Anerkennung in Dublin-Fällen über das sogenannte Selbsteintrittsrecht. Deutschland erklärt sich damit zuständig für das Verfahren des Flüchtlings, der über ein anderes Mitgliedsland in die EU gekommen ist.
Die Linken-Innenpolitikerin Ulla Jelpke kritisierte das strikte Vorgehen des Bamf. Die Gemeinden nutzten das Kirchenasyl nur in besonderen humanitären Fällen und bereiteten die Fälle dem Bundesamt meist mühsam noch einmal auf. „Dass all dies Engagement vom Bamf im Ergebnis regelmäßig ignoriert wird, ist für die Gemeinden nur schwer erträglich“, sagte sie.
„Wir bedauern diese restriktive Entwicklung sehr“, sagte die Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“, Dietlind Jochims, dem epd. „Humanitäre Ermessensspielräume werden unserer Beobachtung nach nicht genutzt“, erklärte sie und verwies als Beispiel auf familiäre Zusammenhänge. Auch Corona-bedingte Erschwernisse etwa beim Zugang zu fachärztlichen Behandlungen würden nicht berücksichtigt.
Jochims betonte, dass es bei er Dublin-Prüfung rein um die Zuständigkeit gehe. Wenn das Schutzbegehren inhaltlich geprüft wird, seien die meisten Fälle erfolgreich, sagte die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche. Diese inhaltliche Prüfung beginnt erst, wenn Deutschland die Zuständigkeit für das Verfahren übernommen hat.
In dem Punkt gab es für das Kirchenasyl zuletzt Erleichterung. Die zunächst von den Innenministern von sechs auf 18 Monate erhöhte Frist bis zur automatischen Ausübung des Selbsteintrittsrechts wurde nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom Bamf im Januar wieder auf ein halbes Jahr gesenkt. Betroffene können das Kirchenasyl also ohne Furcht vor Abschiebung wieder früher verlassen. Jochims zufolge konnten in der Folge viele Kirchenasyle beendet und neue begonnen werden, weshalb sich die Zahl neuer Kirchenasyle bereits im Mai auf dem Niveau des gesamten Vorjahres bewegte.
Das Bundesamt erklärte allerdings, dass sich die Frist nicht auf die Quote der Anerkennungen auswirke. Eine Sprecherin verwies zudem darauf, dass Kirchenasyle auch nach einer erneuten Ablehnung des Asylbewerbers selten vonseiten den Kirchengemeiden beendet werden. Trotz Ablehnung hätten 2020 92 Prozent der Betroffenen das Kirchenasyl nicht verlassen.